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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schmitz
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›Langer‹.
Groß hieß ›Buddy‹, weil seine dunkle Hornbrille die Jungs an Buddy Holly
erinnert hatte.

    Beide hingen sie an ihrer Heimat. Groß schrieb ab und an
in Blättern für kluge Köpfe Besinnungsaufsätze, worin er den Ruhrpott zum
deutschen New York verklärte. Schreiber lästerte darüber, wenn sie sich trafen.
»Im Grunde hast du recht. Gelsenkirchen sieht inzwischen aus wie die Bronx.
Aber wo liegt unser Manhattan, Buddy?«

    Hannes hatte aus Rumänien in Groß’ Büro angerufen, die
Sekretärin unter mehrfacher Nennung des Blattes, für das er schrieb, zum
Durchstellen bewegt und Karsten Groß um ein Treffen gebeten.

    Groß schlug keinen der Gastronomiebetriebe Berlins vor,
in der die Wichtigmenschen der Hauptstadt verkehrten, sondern einen kleinen
Italiener im Osten.

    »Willst du nicht mit mir gesehen werden?«, ätzte Hannes.

    »Hör endlich auf mit deinem Gesetzlosengehabe, Langer.
Als linksradikaler Schreiber aus dem Ruhrpott existierst du nur noch in deiner
Fantasie. Du bist schon lange wohlbestallter Reporter beim Magazin. «

    »Mal sehen, wie lange noch.«

    »Klingt spannend.«

    »Ich erzähl’s dir, wenn wir uns treffen.«

    Hannes nahm die S-Bahn Richtung Erkner, stieg in Köpenick
aus und fand das Lokal in einer Seitenstraße. Von außen wirkte es wie ein Take-away-Pizzaladen.
Innen gab es ein paar Tische und eine offene Küche, in der ein älterer
Italiener die Pfannen schwang. Hannes hockte sich an den einzigen freien Tisch.
Die Kellnerin schoss hinter der Kasse hervor und raunzte ihn an.

    »Isse reserviert, diese tavolo. «

    »Ja. Für mich.«

    »Nein, stimmte nich. Für signor Groß aus die parlamento. «

    »Ich bin mit ihm verabredet.«

    »Dann isse gut. Soll ich bringen eine aperitivo? «

    Hannes bestellte einen Cynar mit Orange. Er kam gleichzeitig
mit Groß. Karsten trug ein weißes Polohemd zur Jeans. Seine unbestrumpften Füße
steckten in Slippern. Die Hornbrille hatte er schon vor Jahren gegen eine
randlos runde ausgetauscht. Obwohl er ein Stück älter war als Schreiber, glänzte
sein Haar noch voll und schwarz. Groß hatte sich gut gehalten, gestand Hannes
sich ein, besser als er selbst.

    Die Kellnerin brachte ungefragt einen Prosecco. »Prego, dottore.«

    Schreiber grinste. »Auf die alten Tage noch promoviert,
Buddy?«

    »Wetten, dass sie dich gleich auch Doktor nennt? Die
Macalusos kommen aus Sizilien. Da wird jeder, der lesen und schreiben kann, mit dottore angeredet.«

    Die beiden Bochumer in Berlin sahen sich über ihre Gläser
an. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie einander ausgewichen waren, wenn sie
sich auf Veranstaltungen von ferne sahen. Die Zeiten waren vorbei. Freunde
würden sie nicht mehr werden, nicht einmal Kumpel. Zeitgenossen wäre das
richtige Wort, dachte Schreiber, stolz auf den Doppelsinn seines Einfalls.

    Er bestellte spaghetti
alla norma und einen grünen Salat vorweg. Groß studierte die Tageskarte auf
der Tafel an der Küchenwand. »Ich nehm’ eine große Portion antipasti misti, Francesca. Mit viel Fisch, bitte.«

    Karsten orderte eine Flasche Weißen und sah Schreiber erwartungsvoll
an. »Du wirst sicher nicht angerufen haben, um mit einem alten Bekannten in
Ruhe essen zu gehen, Langer.«

    »Nein«, sagte Schreiber. »Obwohl … ist doch nett hier.
Und wilde Debatten über Weg und Ziel müssen wir zum Glück auch nicht mehr
führen.«

    »Ist das noch Weisheit oder schon Senilität?«

    »Nenn es, wie du willst.«

    Es fiel Hannes schwer, Groß um Hilfe zu bitten. Er hatte
das noch nie getan, auch nicht in den Jahren ohne Job. Er wollte sich nicht
abhängig machen von Leuten wie ihm. Auf die eine oder andere Art werde man
irgendwann dafür bezahlen müssen, glaubte er.

    Im Flugzeug hatte Hannes darüber nachgedacht, was er Groß
anbieten könnte, damit sein Hilferuf als Deal daherkam. Ein Handel, wie er
zwischen Journalisten und Politikern üblich war. Was die Regierungspartei
dringend brauchte, war Munition für den Wahlkampf. In den Umfragen lagen Groß’
Genossen dramatisch zurück. Sie hatten ihre Stammwähler verhartzt und keine Idee,
wie man sie zurückgewinnen könnte. Die Kandidatin der Schwarzen und ihr Schattenkabinett
boten kaum Angriffsfläche. Wenn man Diana Steinkamps Kampf um die Macht im
Unternehmen den richtigen Dreh gab, ließ sich daraus politisches Kapital
schlagen: Rücksichtslose Jungunternehmerin drängt verdienten Vertreter der
sozialen Marktwirtschaft aus dem Geschäft, finanziert

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