Das Karpatenschloß
drei über dem starken
Stamm ... nur noch drei, alte Burg ... nur noch drei lebende
Äste!«
Stellt man sich einen Hirten von seiner idealen Seite vor,
so erscheint er einem gewöhnlich als Denker oder Träumer;
er unterhält sich mit den Planeten; er spricht mit den Ster-
nen und versteht sich darauf, die Schrift des Himmels zu
lesen. In Wirklichkeit ist er im allgemeinen ein unwissen-
der, vernagelter Bursche. Trotzdem dichtete ihm die Leicht-
gläubigkeit so oft übernatürliche Fähigkeiten an; er versteht
sich auf Hexerei je nach Laune; er wendet Verzauberungen
durch Besprechen ab oder verzaubert selbst Mensch und
Tier – was in diesem Fall ja fast aufs gleiche hinausläuft;
er handelt mit sympathetischen Pülverchen; man kauft von
ihm Liebestränke und Zaubersprüche. Ja, es geht so weit,
daß er die keimende Frucht der Ackerfurche tötet, indem
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er verhexte Kieselsteine hineinwirft, oder daß er die Schafe
unfruchtbar macht, indem er sie mit dem linken Auge an-
sieht. Ein derartiger Aberglaube findet sich in allen Län-
dern und fand sich zu allen Zeiten. Selbst in zivilisierteren
Ländern gehen gar viele Leute nicht an einem Schäfer vor-
über, ohne diesem ein paar freundliche Worte zuzurufen,
ohne ihm einen hergebrachten Gruß zu bieten, indem er
speziell »Hirt« genannt wird, worauf der Mann besonderen
Wert legt. Ein Abnehmen des Hutes schützt bereits gegen
manches Übel, und in Transsilvanien ist man deshalb damit
nicht sparsam.
Frik wurde nun als ein solcher Hexenmeister betrach-
tet, der Geistererscheinungen hervorzuzaubern vermochte.
Nach Aussage der einen gehorchten ihm die Vampire und
die Stryges; nach der anderer konnte man ihn bei abneh-
mendem Mond in halbfinsteren Nächten, wie in anderen
Gegenden das Gespenst des Großen Schalttags, auf dem
Schutzdach von Mühlrädern reiten sehen, von wo aus er
mit den Wölfen schwatzte oder träumerisch zu den Sternen
hinaufstarrte.
Frik ließ die Leute reden, denn er stand sich ganz gut
dabei. Er verkaufte Zaubermittel ebenso wie Schutzmittel
dagegen. Doch war er, wohl zu bemerken, nicht weniger
gläubig als seine Kundschaft, und wenn er vielleicht auch
an seinen eigenen Zauberkräften zweifelte, so galt ihm doch
der Inhalt der landläufigen Sagen als unbestreitbare Wahr-
heit.Hiernach kann es nicht Wunder nehmen, daß er sich
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jene, das baldige Verschwinden der Burg betreffende Vor-
hersage zurechtlegte – da die Schicksalsbuche jetzt bis auf
drei Äste zusammengebrochen war – und daß er sich be-
eilte, diese Neuigkeit in Werst bekanntzugeben.
Nachdem er also seine Herde zusammengerufen hatte,
indem er mit vollen Backen eine aus weißem Holz ge-
schnitzte Schäferpfeife anblies, schlug Frik den Heimweg
zum Dorf ein. Die Tiere in Ordnung haltend, folgten ihm
seine Hunde – zwei Terrierbastarde, bissige, wilde Köter,
die mehr geschaffen schienen, Lämmer zu zerfleischen als
sie zu beschützen. Die Herde bestand aus etwa 100 Wid-
dern und Schafen; darunter etwa einem Dutzend Läm-
mern, sonst aber aus 3- bis 4jährigen Tieren mit vier und
mit sechs Zähnen.
Diese Herde gehörte dem Ortsrichter von Werst, dem
Biró Koltz, der der Gemeinde einen tüchtigen Weidepacht
bezahlte und seinen Schäfer Frik hoch schätzte, weil er ihn
als ebenso brauchbar bei der Schur, wie erfahren in der Be-
handlung der Schafkrankheiten, der Drehkrankheit, des Le-
berwurms, der Trommelsucht, der Pocken, der Unfrucht-
barkeit und anderer ähnlicher Störungen kannte.
Die Tiere zogen in geschlossenen Haufen dahin, voran
der Leithammel mit der Glocke und ein altes Mutterschaf
mit Schellenhalsband, die beide inmitten des Geblöks »den
Ton angaben«.
Vom Weideplatz aus schlug Frik einen breiten, von aus-
gedehnten Feldern umgebenen Fußweg ein. Hier wogten
die prächtigen Halme eines Getreides, das ebenso hoch im
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Stroh, wie lang in den Ähren war; dort wucherten üppige
Kulturen von »Kukuruz«, dem Mais des Landes. Der Weg
führte zum Saum eines aus Fichten und Tannen bestehen-
den Waldes, der in seinem Schatten erquickende Kühle bot.
Weiter unten schlängelte sich das spiegelnde Band der Sil
hin, deren Wasser sich an den Kieseln des Grundes klärte,
und auf der Stämme und Klötze aus den stromaufwärts lie-
genden Sägemühlen hinabschwammen.
Hunde und Schafe machten am rechten Ufer des Flusses
halt und stillten gierig ihren Durst am steilen Rand,
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