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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dem
    Wartturm aufwirbelte. Bei der ganz stillen Luft stieg sie ker-
    zengerade empor und verschwamm schließlich im Dunst
    der Höhe.

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    Frik stand wie versteinert und sprach kein Wort. Seine
    ganze Aufmerksamkeit wandte er der Burg zu, nach der
    schon der Schatten der Täler unter dem Plateau von Orgall
    langsam emporschlich.
    Plötzlich ließ er das Fernrohr herabsinken, griff nach
    dem kleinen Quersack, der unter seiner Jacke hing und
    fragte: »Was soll Euer Rohr kosten?«
    »Anderthalb Gulden«, antwortete der Händler.
    Er hätte das Fernrohr auch schon für 1 Gulden wegge-
    geben, wenn Frik sonst Lust zum Kauf gezeigt hätte. Der
    Schäfer feilschte aber nicht. Offenbar unter dem Druck
    einer ebenso plötzlichen wie unerklärlichen Verblüffung,
    senkte er die Hand in den Quersack und brachte das ver-
    langte Geld hervor.
    »Kauft Ihr das Fernrohr für Euch selbst?« fragte der
    Hausierer.
    »Nein, für meinen Herrn, den Ortsrichter Koltz.«
    »Dann gibt er Euch zurück, was ...«
    »Jawohl, die 2 Gulden, die es mich gekostet hat.«
    »Wie, die 2 Gulden, sagt Ihr?«
    »Natürlich. Und nun Gute Nacht, Freundchen.«
    »Gute Nacht, Schäfersmann!«
    Frik pfiff die Hunde heran, ließ diese die Herde zusam-
    mentreiben und zog rasch in Richtung Werst davon.
    Der Jude, der ihm nachschaute, schüttelte leicht den
    Kopf, als ob er es mit einem halben Narren zu tun gehabt
    hätte.
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    »Hätt’ ich das gewußt«, murmelte er vor sich hin, »dann
    würd’ ich ihm das Fernrohr etwas teurer verkauft haben!«
    Nachdem er dann seine Waren am Gürtel und auf den
    Schultern wieder geordnet hatte, schlug er, am rechten Ufer
    der Sil hinabwandernd, den Weg nach Karlsburg ein.
    Wohin er ging, hat für uns keine weitere Bedeutung. Er
    taucht nur dieses einzige Mal in unserer Erzählung auf. Der
    Leser wird ihn nicht wieder zu sehen bekommen.
    2
    Mag es sich um Felsenmassen handeln, die in grauer Vor-
    zeit, als der Erdboden noch nicht zur Ruhe gekommen war,
    von der starken Hand der Natur übereinandergetürmt wor-
    den waren, oder um Bauwerke der schwachen Menschen-
    hand, über die der Hauch von Jahrhunderten hinweggestri-
    chen ist – immer bleibt der Anblick nahezu derselbe, sobald
    man sie aus einigermaßen größerer Entfernung betrachtet.
    Was rohes und was künstlich bearbeitetes Gestein ist – bei-
    des verschmilzt sehr leicht ineinander. Von weitem weisen
    beide dieselbe Färbung, dieselben Züge und denselben Ver-
    lauf der Linien nach der Perspektive auf und gleichmäßig
    deckt sie die grünliche Patina der Jahrhunderte.
    So verhielt es sich auch mit der Burg – gewöhnlich »das
    Karpatenschloß« genannt. Es wäre ganz unmöglich gewe-
    sen, seine unbestimmten Formen auf jener Hochfläche von
    Orgall, die es zur Linken des Vulcangipfels krönte, deutlich
    zu erkennen, besonders, da sich das Bauwerk von den da-
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    hinter noch aufstrebenden Bergketten nicht besonders ab-
    hebt. Was man versucht ist, für einen hohen Wartturm zu
    halten, ist vielleicht nichts als ein steil aufsteigender schlan-
    ker Felsen. Wer darauf hinblickt, glaubt wohl den Zinnen-
    rand einer Mauer da zu erkennen, wo sich nur ein ausge-
    zackter steiniger Grat ausdehnt. Das ganze Bild ist schwach,
    unbestimmt, verschwommen. Nach der Ansicht verschiede-
    ner Touristen besteht das ganze Karpatenschloß überhaupt
    nur in der Einbildung der Bewohner des Komitats.
    Offenbar hätte man sich von dem wahren Sachverhalt
    sehr einfach überzeugen können, wenn jemand mit Hilfe
    eines landeskundigen Führers aus Vulcan oder aus Werst
    den Talweg durchschritten, dann die Berghöhe erstiegen
    und die vielgenannte Burg an Ort und Stelle in Augen-
    schein genommen hätte. Leider wäre ein Führer nur noch
    weit schwieriger aufzutreiben, als der nach dem Schloß lei-
    tende Weg aufzufinden gewesen. Hier, im Land der beiden
    Sil, hätte man keinen Menschen überreden können, selbst
    für die reichlichste Belohnung einen Fremden zum Karpa-
    tenschloß zu führen.
    Lassen wir das übrigens beiseite, so wäre von jenem al-
    ten Ritterwohnsitz etwa folgendes zu sehen gewesen – das
    heißt im Sehfeld eines mächtigeren und besseren Fernrohrs
    als durch das Nürnberger Instrument, das der Schäfer Frik
    für Meister Koltz erstanden hatte.
    800 bis 900 Fuß unter dem Paß von Vulcan befand sich
    eine sandsteinfarbene Umfassungsmauer, begrenzt mit
    dichtem Gewirr genügsamer Schlingpflanzen, die sich auf
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