Das Karpathenschloß
eingebildet, daß man ihn beim Worte nehmen und verlangen würde, mit eigner Person für seine Aussagen einzutreten. Jetzt gab’s für ihn leider keine Ausflucht mehr, wollte er nicht zum Gelächter von ganz Werst werden und vor dem ganzen Lande Spießruthen laufen. Er beschloß also, gute Miene zum bösen Spiele zu machen.
»Nun denn, da Ihr es wünscht, sagte er, werd’ ich Nic begleiten, obwohl das nutzlos sein wird.
– Schön… Doctor Patak, das ist doch wenigstens ein Wort! riefen die Männer an den Schänktischen.
– Und wann machen wir uns auf den Weg, Forstwächter? fragte Doctor Patak in zwar möglichst gleichgiltigem Tone, der seine Scheu vor der ganzen Geschichte jedoch nur schlecht verhehlte.
– Morgen in der Frühe,« antwortete Nic Deck.
Nach den letzten Worten wurde es ganz still rings umher, ein Beweis, daß die Angelegenheit Meister Koltz wie die Uebrigen wirklich tief erregte. Gläser und Flaschen waren geleert, und doch stand Keiner auf, machte Keiner Anstalt, die Gaststube zu verlassen, obgleich es spät genug war, um nach Hause zu gehen. Jonas hielt es also für angezeigt, noch einmal mit Schnaps und Rakion aufzuwarten.
Plötzlich ließ sich inmitten des allgemeinen Schweigens deutlich eine Stimme vernehmen, die langsam folgende Worte sprach:
» Nic Deck, geh’ nicht nach der Burg!… Geh’ nicht dahin!… Es droht Dir Unheil! «
Wer hatte diese Warnung ausgesprochen? Woher kam die Stimme, die Keiner erkannt und die aus unsichtbarem Munde zu tönen schien? Das konnte nur die Stimme eines Gespenstes sein, eine übernatürliche, eine Stimme aus der andern Welt…
So bemühte er sich nach Kräften, seinen unzugänglichen Begleiter… (S. 63.)
Jetzt erreichte das Entsetzen seinen Höhepunkt. Keiner wagte den Andern anzusehen, Keiner brachte eine Silbe über die Lippen.
Der Muthigste in der ganzen Gesellschaft – offenbar der junge Nic – wollte indeß wissen, woran er hiermit sei. Es unterlag keinem Zweifel, daß jene Worte hier in der Gaststube selbst ausgesprochen worden waren.
So näherte sich denn der Forstwächter zuerst einer großen Truhe, die er öffnete…
Niemand!
Er untersuchte die an die Gaststube stoßenden Fremdenzimmer…
Niemand!
Er stieß die Thür des Wirthshauses auf, trat hinaus und ging über die Terrasse bis zur Landstraße von Werst…
Niemand!
Wenige Minuten nachher hatten Meister Koltz, der Magister Hermod, Doctor Patak, Nic Deck, der Schäfer Frik und die Andern das Wirthshaus verlassen, so daß nur dessen Inhaber, Jonas, allein zurückblieb, der den Schlüssel in der Hausthüre heute zweimal umdrehte.
In derselben Nacht verbarrikadirten die Bewohner von Werst, als ob ihnen das wilde Heer schon auf dem Nacken säße, jeden Zugang zu ihren Häusern, so gut sie das konnten.
Fünftes Capitel.
Am folgenden Morgen machten sich Nic Deck und Doctor Patak gegen neun Uhr zum Aufbruch bereit. Der Forstwächter beabsichtigte den Bergrücken des Vulcan zu ersteigen, um sich so auf kürzestem Wege nach der Burg zu begeben.
Nach dem Auftreten des Rauches auf dem Wartthurme und nach der seltsamen Erfahrung mit der in der Gaststube des »König Mathias« gehörten Stimme, kann es nicht Wunder nehmen, daß die gesammte Bevölkerung ganz aus dem Häuschen war. Einige Zigeuner sprachen schon davon, das Land zu verlassen. In den Familien unterhielt man sich von nichts Anderem… und auch nur mit ganz leiser Stimme. Wer hätte denn noch gewagt zu läugnen, daß es einen Teufel, den »Chort« gebe, der von jener an den jungen Forstmann gerichteten Warnung Kenntniß hatte? In Jonas’ Wirthshause waren ja wenigstens fünfzehn der glaubwürdigsten Personen anwesend gewesen, die jene merkwürdigen Worte selbst mit vernommen hatten, so daß die Annahme, sie wären nur das Opfer einer Sinnestäuschung gewesen, ganz unhaltbar erschien.
Nein, hier gab es keinen Zweifel; Nic war unter Nennung seines Namens gewarnt worden; ihm sollte ein Unglück widerfahren, wenn er wirklich so kühn war, das Karpathenschloß zu durchsuchen.
Und der junge Forstmann wollte das noch obendrein unternehmen, ohne daß er dazu gezwungen war. Obwohl Meister Koltz viel daran gelegen sein mußte, das Geheimniß der Burg zu entschleiern, und obwohl das ganze Dorf ein Interesse daran hatte zu erfahren, was dort in der That vorging, hatte man doch keine Mühe gespart, Nic zur Zurücknahme seiner Worte zu bestimmen. Verweint, verzweifelt, die Augen noch voller Thränen hatte Miriota ihn
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