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Das Karpathenschloß

Das Karpathenschloß

Titel: Das Karpathenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vorgedrungen war, auf ganz unüberwindbare Hindernisse stoßen sollte.
    Zum Glück – oder eigentlich recht zum Unglück – für ihn befand sich über dem Ausfallsthor eine Art Schießluke, oder vielmehr ein Mauereinschnitt, durch den früher die Mündung einer Feldschlange heraus geblickt haben mochte. Benützte er nun eine der Zugbrückenketten, die bis zum Erdboden herabhingen, so konnte es für einen kräftigen, geschmeidigen Mann nicht besonders schwierig sein, bis zu jenem Ausschnitt emporzuklimmen. Dessen Breite genügte offenbar, sich hindurch zu zwängen, und wenn er nicht an der Innenseite durch ein Eisengitter verschlossen war, so mußte Nic Deck auf diesem Wege in den Burghof gelangen können.
    Der Forstwächter durchschaute auf den ersten Blick, daß er gar nicht anders zu seinem Ziele gelangen könne, und so stieg er denn, mit dem ganz bewußtlosen Doctor hinter sich, auf schiefem Fußpfade die äußere Böschung des Wallgrabens hinunter.
    Bald hatten Beide die mit Steinen, die unter wucherndem Unkraut lagen, bedeckte Sohle des Grabens erreicht. Freilich wußten sie kaum, worauf ihre Füße standen und ob nicht unzähliges giftiges Gethier aus dem Pflanzengewirr der feuchten Aushöhlung hervorbrechen würde.
    In der Mitte des Grabens und parallel mit der Verbindungsmauer verlief der alte Abzugscanal, der freilich jetzt fast ausgetrocknet und übrigens ohne große Anstrengung zu überspringen war.
    Nic Deck, der nichts an geistiger und körperlicher Energie eingebüßt hatte, ging mit dem gewohnten kalten Blute vor, während der Doctor ihm maschinenartig folgte, wie ein Thier, das man am Stricke hinter sich nachzieht.
    Nachdem sie über den Abzugscanal gelangt, ging der Forstwächter etwa zwanzig Schritte weit längs des Fußes der Verbindungsmauer bis dicht unter das Ausfallsthor hin, nach der Stelle, wo das Ende der gesehenen Kette herabhing. Unter Benutzung der Hände und der Füße mußte er hier leicht den Steinsims erreichen können, der unter dem Mauereinschnitt ein Stück hervorsprang.
    Nic Deck hatte offenbar nicht die Absicht, auch den Doctor Patak zu dieser Kletterübung aufzufordern; einem so schweren Männchen wäre das unmöglich gewesen. Er begnügte sich also, diesen kräftig zu schütteln, um sich ihm bestimmt verständlich zu machen, und empfahl ihm, sich mäuschenstill hier unten im Graben zu verhalten.
    Dann begann Nic Deck – für seine Gebirgsbewohnermuskeln nur ein Spiel – längs der Kette hinaufzuklimmen.
    Als sich der Doctor aber allein sah, mochte er sich der augenblicklichen Sachlage doch einigermaßen wieder bewußt werden. Er fing an zu begreifen, blickte nach allen Seiten herum, sah seinen Gefährten schon zehn bis zwölf Fuß über dem Erdboden schweben und schrie mit einer von der ausgestandenen Angst heiser gewordenen Stimme:
    »Halt, Nic!… Haltet ein!«
    Der Forstwächter hörte gar nicht darauf.
    »Kommt herunter… aber gleich, oder ich gehe davon! jammerte der Doctor, der mit Mühe wieder auf die Füße gekommen war.
    – So geht, wenn’s Euch beliebt!« rief Nic Deck herunter.
    Immer weiter kletterte der junge Mann an der Zugbrückenkette hinaus.
    Der Doctor Patak, jetzt von beispiellosem Schrecken gepackt, wollte den schmalen Pfad der Außenböschung wieder aufsuchen, um darauf nach dem Rande des Plateaus des Orgall zu gelangen und, was er laufen konnte, den Weg nach Werst wieder einzuschlagen….
    O Wunder, vor dem alle, die die vergangene Nacht gestört hatten, völlig verblaßten… er konnte sich nicht mehr von der Stelle rühren! Seine Füße erschienen wie festgehalten von den Backen einer mächtigen Zange. Vielleicht konnte er einen Fuß nach dem anderen frei bekommen… nein, auch das nicht – beide hingen mit den Absätzen und den Sohlen der Stiefel unverrückbar fest. Hatte sich der Doctor vielleicht in die Fangeisen einer Falle verirrt?… Er war jetzt viel zu verdutzt, um das erkennen zu können. Es schien aber weit mehr, als ob er durch die eisernen Nägel seines Schuhwerkes festgehalten würde.
    Mochte dem sein, wie ihm wolle, der arme Mann fühlte sich an der Stelle, wo er stand, unbeweglich festgebannt… er war an den Erdboden genietet… Da es ihm an Kraft fehlte, um zu rufen, streckte er voller Verzweiflung die Arme aus. Es hatte den Anschein, als wolle er einem Ungeheuer, dessen Rachen über der Erde gähnte, die innersten Eingeweide herausreißen.
    Inzwischen war Nic Deck bis zur Höhe des Ausfallthors gelangt und wollte eben die Hand

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