Das Karpathenschloß
der sonderbare Musiknarr und der nicht minder sonderbare Orfanik, waren, wenigstens, soweit das möglich war, sehr bekannt in allen italienischen Städten, wohin sie die jeweilige Theatersaison rief. Sie besaßen eine Art Vorzugsrecht, die öffentliche Neugierde zu erregen, und obgleich der Bewunderer la Stilla’s alle Berichterstatter und indiscreten Interviewer sich vom Halse zu halten verstanden hatte, so wurde dessen Name und Nationalität schließlich doch bekannt. Er stammte danach aus Rumänien, und als Franz von Telek nach seinem Namen fragte, antwortete man ihm:
»Baron Rudolph von Gortz.«
So war die Sachlage zur Zeit, wo der junge Graf eben in Neapel eingetroffen war. Seit zwei Monaten schon wurde das Theater San Carlo niemals leer, und die Erfolge la Stilla’s steigerten sich nach jedem Abend. Noch nie hatte sie sich in den verschiedenen Rollen ihres Repertoirs so bewunderungswürdig erwiesen, nie mehr begeisterte Huldigungen entfesselt.
Bei jeder Vorstellung, der Franz von Telek auf seinem Parquetsitze nahe dem Orchester beiwohnte, vertiefte sich der in seiner Loge verborgene Baron von Gortz in diesen herrlichen Gesang und saugte die ergreifende Stimme förmlich in sich auf, ohne die er nicht bestehen zu können schien.
Da lief ein unerwartetes Gerücht durch ganz Neapel – ein Gerücht, dem anfangs Niemand Glauben schenken wollte, das schließlich aber die ganze kunstfreundliche Welt schwer beunruhigte.
Man erzählte sich, daß la Stilla nach Ablauf der Saison der Bühne entsagen werde. Wie? Im Vollbesitz ihres Talentes, in der Fülle kaum ausgereifter Schönheit, auf dem Gipfel des Künstlerruhmes – war es da möglich, daß sie schon an ein Zurückweichen nur denken konnte?
So unwahrscheinlich das erschien, war es doch begründet, und ohne daß er etwas davon ahnte, verschuldete diesen Entschluß zum Theil wenigstens der unselige Baron von Gortz.
Dieser Zuhörer mit seinem geheimnißvollen Verhalten, der, wenn auch in der vergitterten Loge unsichtbar, doch stets anwesend war, hatte in la Stilla endlich eine fortdauernde nervöse Ueberreizung erzeugt, der sich die Sängerin nicht mehr zu wehren vermochte. Von ihrem ersten Erscheinen auf der Scene fühlte sie sich von diesem, übrigens auch für die Zuschauer wahrnehmbaren Seelenleiden tief bedrückt, und das hatte allmählich ihre Gesundheit untergraben.
Ein Fortgehen von Neapel, eine Flucht nach Rom, Venedig oder einer anderen Stadt der Halbinsel hätte, das wußte sie, auch nicht genügt, den Baron von Gortz aus ihrer Nähe zu scheuchen. Sie wäre ihm auch sicherlich nicht entgangen, wenn sie sich von Italien aus etwa nach Deutschland, Rußland oder Frankreich begeben hätte. Er folgte ihr doch überall hin, wo ihre Stimme erklang, und so sah sie eine Befreiung von diesem lästigen Verfolger nur in dem gänzlichen Aufgeben ihrer Bühnenthätigkeit.
Schon zwei Monate, ehe sich das Gerücht von ihrem Rücktritte verbreitete, hatte Franz von Telek sich der Sängerin gegenüber zu einem Schritte entschlossen, dessen weitere Folgen unglücklicherweise die verderblichste Katastrophe herbeiführen sollten. Von Person völlig frei und Herr eines sehr beträchtlichen Vermögens, hatte er einmal Zutritt bei ihr erlangt und ihr da angeboten, Gräfin von Telek zu werden.
La Stilla kannte übrigens schon seit einiger Zeit die Empfindungen, die sie dem jungen Grafen einflößte. Sie hatte sich auch gestanden, daß dieser ein Mann sei, dem jedes Weib – selbst aus den höchsten Kreisen – ihr Lebensglück getrost anvertrauen könne. Derartigen Gedanken hing sie eben nach, als Franz von Telek ihr seinen Namen anbot, und sie nahm das mit warmem Entgegenkommen an, das sie gar nicht zu verbergen suchte. Mit vollem Vertrauen auf seine Gefühle stimmte sie zu, die Gattin des Grafen Telek zu werden, ohne die Unterbrechung der künstlerischen Laufbahn zu beklagen.
Die große Neuigkeit bestätigte sich also, la Stilla sollte nach Schluß der Spielzeit im San Carlo auf keiner Bühne mehr erscheinen. Ihre Vermählung, die man bisher nur vermuthete, wurde jetzt als gewiß hingestellt.
Natürlich brachte das eine wunderbare Wirkung nicht nur in den Künstlerkreisen, sondern überhaupt in der vornehmen Welt Italiens hervor. Hatte man zuerst an die Verwirklichung eines solchen Vorhabens nicht glauben wollen, so mußte man sich nun der Thatsache fügen. Eifersucht und Haß erwachten gegen den fremden jungen Grafen, der die größte Sängerin der damaligen Zeit
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