Das Kartengeheimnis
und Albert ihm von der Zeit erzählt hatte, als er ein Junge war und den Bäcker-Hans besuchen durfte.
PIK ACHT
... als wäre ich in einen Wirbelwind aus einem fremden Land geraten...
Albert Klages hob das Glas an den Mund und trank einen Schluck Wein. Wenn ich in sein altes Gesicht blickte, kam mir der Gedanke seltsam vor, daß dieser Mensch derselbe war wie der vernachlässigte kleine Junge, dem der Tod die Mutter geraubt hatte. Ich versuchte, mir die besondere Freundschaft vorzustellen, die sich zwischen ihm und dem Bäcker-Hans entwickelt hatte. Ich war selber einsam und verlassen, als ich nach Dorf kam, aber der, der mich hier aufnahm, war einst genauso elend dran gewesen.
Albert stellte das Glas wieder auf den Tisch und stocherte mit einem Schürhaken im Kamin, ehe er weiterredete.
»Alle im Dorf wußten, daß der Bäcker-Hans etwas oberhalb des Ortes in einem alten Holzhaus wohnte. Es wurde viel darüber getratscht, wie es dort aussah, aber ich glaubte nicht, daß ihn jemals einer der Dorfbewohner besucht hatte. Vielleicht war es doch nicht so verwunderlich, daß ich ein paar Schmetterlinge im Bauch hatte, als ich an jenem Winterabend durch den hohen Schnee zu ihm ging. Ich würde der erste sein, der das Haus des rätselhaften Bäckers betreten durfte...
Über den Bergen im Osten erhob sich ein weißer Vollmond, die ersten Sterne zeichneten sich schon am Abendhimmel ab. Als ich den letzten kleinen Hang hinaufstieg, fiel mir wieder ein, daß der Bäcker-Hans mir eine Limonade versprochen hatte, die tausendmal besser schmeckte als die damals nach der Prügelei. Ob diese Limonade etwas mit dem großen Geheimnis zu tun hatte? Bald sah ich über mir das Haus, und wie du dir sicher denken kannst, Ludwig, handelte es sich dabei um dasselbe, in dem wir jetzt sitzen.«
Ich nickte schnell, und der alte Bäcker fuhr fort: »Ich ging am Brunnen vorbei, stapfte über den verschneiten Pfad zum Haus und klopfte an die Tür.
›Komm rein, mein Sohn!‹ hörte ich den Bäcker-Hans rufen. Du darfst jetzt nicht vergessen, daß ich damals nicht älter als zwölf, dreizehn Jahre war. Ich wohnte noch immer zu Hause auf dem Hof, bei meinem Vater. Da war es fast ein bißchen unheimlich, von einem Mann ›mein Sohn‹ genannt zu werden.
Ich ging ins Haus und hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu schlüpfen. Der Bäcker-Hans saß in einem tiefen Schaukelstuhl, und überall im Zimmer standen Gläser mit Goldfischen. In jeder kleinsten Ecke tanzte ein Zipfelchen vom Regenbogen. Aber hier gab es nicht nur Goldfische. Lange starrte ich Dinge an, die ich noch nie gesehen hatte, und erst viele Jahre später konnte ich sie benennen: Da gab es Flaschenschiffe und große Muscheln, Buddhafiguren und Edelsteine, Bumerangs und Negerpuppen, alte Degen und Schwerter, Messer und Pistolen, persische Sitzkissen und indianische Alpakadecken. Vor allem aber fiel mir die seltsame Glasfigur eines Tieres mit spitzem kleinem Kopf und sechs Beinen auf. Es war, als wäre ich in einen Wirbelwind aus einem fremden Land geraten. Von manchen der Dinge, die ich sah, hatte ich vielleicht schon gehört, aber das alles geschah, lange bevor wir die erste Fotografie zu sehen bekamen.
Die ganze Atmosphäre in dem kleinen Haus war so ganz anders, als ich erwartet hatte. Ich war nicht beim Bäcker-Hans, sondern bei einem alten Seefahrer. An einigen Stellen im Zimmer brannten Öllampen, und auch die waren so anders als die Petroleumlampen, an die ich gewöhnt war, daß sie aus seinem Seemannsleben stammen mußten.
Der Alte wies mir einen Sessel vor dem Kamin an, und das war genau der Sessel, in dem du jetzt sitzt, Ludwig, verstehst du?«
Wieder nickte ich.
»Ehe ich mich in den Sessel setzte, machte ich eine Runde durch das Zimmer und sah mir die vielen Goldfische an. Einige waren rot und gelb und orange, andere grün, blau und violett. Ich hatte bisher nur einen solchen Goldfisch gesehen. Der stand beim Bäcker-Hans auf einem kleinen Tisch im Hinterzimmer der Bäckerei. Oft hatte ich den kleinen Fisch angestarrt, der im Glas hin und her schwamm, während der Bäcker-Hans den Brotteig ansetzte.
›Du hast aber viele Goldfische!‹ rief ich, als ich meine Runde beendet hatte. ›Erzählst du mir, wo du sie gefangen hast?‹
Er schmunzelte, dann sagte er: ›Alles zu seiner Zeit, mein Junge, alles zu seiner Zeit. Sag – könntest du dir vorstellen, Bäcker hier in Dorf zu werden, wenn ich einmal nicht mehr bin?‹
Obwohl ich nur ein Kind war,
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