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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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spielten. Auf dem Weg nach draußen hielt er an mehreren Tischen an und schnorrte mehrere Joker. Das machte er immer, wenn er von irgendwo aufbrach. Und das fand ich eigentlich ein bißchen feige.
    Wir hatten lange keine Karten mehr gespielt. Wir hatten es öfter getan, als ich noch kleiner war, aber das Interesse meines Vaters an Jokern hatte im Lauf der Zeit die alte Spielfreude erstickt. Im übrigen war er auch ein Meister in Kartentricks. Aber seine größte Leistung war eine Patience, die er einmal gelegt hatte und für die man im besten Fall mehrere Tage benötigte. Um sich an dieser Patience zu erfreuen, mußte man nicht nur Geduld haben, sondern auch ganz schön viel Zeit.
    Als wir wieder in der Kabine waren, blickten wir noch eine Weile aufs Meer. Wir sahen nichts, es war ja ganz dunkel. Aber wir wußten, die Dunkelheit, in die wir hineinschauten – die war das Meer.
    Als eine Gruppe kreischender Amerikaner auf der Laufbrücke an unserem Fenster vorbeiging, zogen wir die Vorhänge zu, und mein Vater legte sich aufs Bett. Er hatte offenbar genug Schlafmittel intus, denn er war sofort weg.
    Ich lag wach und spürte, wie das Schiff auf dem Meer schaukelte. Nach einer Weile holte ich die Lupe und das Brötchenbuch heraus und las weiter, was der Bäcker-Hans Albert erzählte, dem eine schlimme Krankheit die Mutter geraubt hatte.

KREUZ SECHS
    ... als müßte er sich davon überzeugen, daß ich ein wirklicher Mensch aus Fleisch und Blut war...
     
     
     
    Ich ging weiter durch den Laubwald, aber bald gelangte ich in offenes Gelände. Nicht weit von der Stelle, wo ich aus dem Wald trat, lag am Fuße eines von Blumen übersäten Berghangs ein Dorf. In der Gasse, die sich zwischen seinen dichtstehenden kleinen Häusern hindurchschlängelte, wimmelte es nur so von Menschlein wie denen, die mir schon begegnet waren. Etwas höher am Berghang stand ein Haus ganz für sich. Hier gab es wohl kaum einen Dorfpolizisten, an den ich mich wenden konnte, aber ich mußte versuchen herauszufinden, wo in aller Welt ich war.
    Eines der ersten Häuser im Dorf war eine Bäckerei. Als ich daran vorüberkam, trat eine blonde Frau vor die Tür. Sie trug ein hellrotes Kleid mit drei blutroten Herzen auf der Brust.
    „Frischgebackenes Brot!“ sagte sie. Ihre Wangen leuchteten rosenrot, und sie lächelte freundlich.
    Der Duft von frischem Brot kitzelte mich in der Nase, und er war so unwiderstehlich, daß ich sofort in die kleine Bäckerei hineinging. Ich hatte seit über einer Woche kein Brot mehr gegessen, und hier lagen in einem breiten Regal an der Wand hohe Stapel davon, dazu leckere Brezeln.
    Aus einem kleinen Hinterzimmer, wo Rauch aus einem Backofen quoll, betrat noch eine rotgekleidete Frau den kleinen Laden. Sie hatte fünf Herzen auf der Brust.
    Kreuz arbeitet auf dem Feld und kümmert sich um die Tiere, dachte ich. Karo bläst Glas. Herz As trägt schöne Kleider und pflückt Blumen und Beeren. Und die übrigen Herzen – die backen offenbar Brot. Wenn ich nun noch herausfand, was Pik trieb, hätte ich so etwas wie eine Übersicht über diese merkwürdige Patience.
    Ich zeigte auf ein Brot und fragte: „Darf ich probieren?“
    Herz Fünf beugte sich über einen schlichten Tresen, der aus dünnen Baumstämmen gebaut war. Auf dem Tresen stand ein großes Glas mit einem einsamen Goldfisch. Herz Fünf starrte mir in die Augen.
    „Mit dir habe ich in den letzten Tagen wohl nicht gesprochen“, sagte sie und schnitt eine unsichere Grimasse.
    „Stimmt“, antwortete ich. „Ich bin nämlich gerade vom Mond gefallen. Und ich war nie ein großer Redner. Das liegt daran, daß ich eigentlich auch kein großer Denker bin. Wenn man nicht denken kann, hat auch das Reden nicht viel Sinn.“
    Ich hatte nicht umsonst die Erfahrung gemacht, daß es wenig nützte, wenn man sich diesen Zwergen gegenüber verständlich ausdrückte. Vielleicht würde ich sogar eher zu ihnen durchdringen, wenn ich genauso unverständlich redete wie sie.
    „Vom Mond, sagst du?“
    „Vom Mond, ja.“
    „Dann brauchst du sicher ein Stück Brot“, antwortete Herz Fünf lakonisch – als wäre es genauso normal, vom Mond zu fallen, wie hinter einem Tresen zu stehen und Brot zu verkaufen.
    Also hatte ich richtig gedacht: Wenn ich ihnen nach dem Mund redete, war es gar nicht so schwer, auf die Wellenlänge dieses kleinwüchsigen Volkes zu kommen. Doch dann beugte sich Herz Fünf in einem plötzlichen Anfall von Heftigkeit über den Tresen und flüsterte aufgeregt:

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