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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jostein Gaarder
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die Spitze übernommen. Unter den Hufen der sechsbeinigen Millucken wirbelte der Staub. Und wieder hörte ich ein seltsames Geräusch. Es klang wie schwaches Donnern – und stammte nicht von den galoppierenden Millucken. Zugleich kam es mir vor, als sei der Weg durch die Ebene für die Zwerge kürzer als für uns.
    Nur wenige Meter waren die Millucken noch von uns entfernt, als ich die kleine Öffnung im Fels entdeckte.
    „Da ist es!“ schnaufte ich.
    Zuerst quetschte ich mich selber durch das Loch, dann versuchte der Joker, mir zu folgen. Doch obwohl er soviel kleiner war als ich, mußte ich ihn an den Armen durch die Öffnung zerren. Ich war schweißnaß, die Arme des Jokers aber waren kalt wie der Fels der Höhlenwand.
    Wir hörten, wie draußen die ersten Millucken anhielten. Dann tauchte ein Gesicht in der Öffnung auf – der Pik König. Doch er konnte nur einen kurzen Blick auf uns werfen, denn nun schloß sich die Wand. Er konnte gerade noch die Hand zurückziehen, mit der er nach uns greifen wollte.
    „Ich glaube, die Insel schrumpft“, sagte ich.
    „Oder sie wird von innen zerstört“, sagte der Joker. „Wir müssen sie verlassen, ehe sie ganz verschwindet.“
    Wir rannten durch die Höhle und erreichten bald den Ausgang zu dem engen Tal, das vor der hohen Felswand endete. Noch immer hüpften hier Frösche und Eidechsen umher, aber sie waren längst nicht mehr so groß wie Kaninchen.
    Wir liefen durch das Tal und schienen bei jedem Schritt Hunderte von Metern zurückzulegen. So hatten wir bald die gelben Rosenbüsche und die pfeifenden Schmetterlinge erreicht. Es gab noch immer viele dieser Schmetterlinge, doch vom einen oder anderen Riesen unter ihnen abgesehen, waren sie jetzt viel kleiner. Ich konnte sie auch nicht hören, doch das mag am Geklingel der Jokerglöckchen gelegen haben.
    Bald standen wir auf dem Berggipfel, von dem aus ich am Morgen nach dem Schiffbruch den Sonnenaufgang betrachtet hatte. Wir hatten das Gefühl zu schweben, sobald wir nur die Füße vom Erdboden hoben. Unten lag der See, in dem ich zwischen den Schwärmen von Goldfischen in allen Regenbogenfarben geschwommen war. Der See erschien mir jetzt nur viel kleiner. Und dann – dann sahen wir das Meer. Weit, weit weg sahen wir weißen Schaum an die Insel branden.
    Der Joker hüpfte und tanzte wie ein Kind.
    „Ist das das Meer?“ fragte er verwundert. „Sag doch, Seemann, ist es das?“
    Aber ich konnte ihm nicht antworten, denn nun donnerte und rumpelte es tief in der Erde unter uns. Dazu knackte und knirschte es, als ob ein Riese Steine kaute.
    „Das Gebirge frißt sich selber auf“, sagte der Joker.
    Wir rannten von dem Berg hinunter. Der See, in dem ich geschwommen war, war jetzt kaum mehr als eine Pfütze. Aber die Goldfische waren noch da und drängten sich dicht aneinander. Es war, als wäre ein Regenbogen vom Himmel gefallen und brodelte in der kleinen Pfütze.
    Während der Joker sich umblickte, öffnete ich den weißen Sack, den ich die ganze Zeit auf dem Rücken getragen hatte. Vorsichtig nahm ich das Goldfischglas heraus und füllte es mit Fischen. Doch als ich es hochheben wollte, kippte es um. Ich hatte es kaum berührt; es war, als fiele es aus eigener Kraft. Oder hatten die Fische dafür gesorgt? Ich sah, daß das Glas nun eine kleine Kerbe hatte.
    „Schnell, Seemann!“ sagte der Joker.
    Er half mir, das Glas wieder mit Goldfischen zu füllen. Dann riß ich mir mein Hemd vom Leib, wickelte es fest um das Glas, warf mir den Sack wieder auf den Rücken, und wir liefen weiter. Das Goldfischglas hielt ich fest an mich gedrückt.
    Plötzlich hörten wir ein so scharfes und lautes Geräusch, als risse es die Insel in Stücke. Wir liefen unter hohen Palmen und erreichten eben die Lagune, wo ich zwei Tage zuvor gestrandet war. Zwischen zwei Palmen lag noch mein Boot, genauso, wie ich es verlassen hatte. Und als ich mich umdrehte, sah ich, daß die Insel kaum mehr als eine felsige Erhebung im weiten Meer war. Zwischen den Palmen meinte ich das Meer auf der anderen Seite erkennen zu können. In der kleinen Lagune war nur eines anders als bei meiner Ankunft: Das weite Meer lag zwar noch so still wie vor zwei Tagen, zum Strand hin aber brandete und schäumte es. Wenn ich noch gezweifelt hatte, jetzt war ich mir sicher, daß die Insel untergehen würde.
    Da sah ich unter einer Palme etwas Gelbes blinken. Ein gelbes Kleid – das Kleid von Herz As. Ich stellte Sack und Goldfischglas auf den Boden und ging zu ihr,

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