Das Karussell der Spitzbuben
herüber.
„Ja, Herr Gerlach“, eröffnete Martin das Gespräch. „Herr Bühler befindet sich in einer ziemlich heiklen Situation: Er wird erpreßt!“
Gerlach beugte den Kopf vor, als habe er sich verhört. „Erpreßt?“ wiederholte er dann. „Das ist ja wohl ein Witz!“
„Leider nein.“
„Ich wußte gar nicht, daß der gute Bühler über Reichtü-mer verfügt.“ Er spielte den noch immer Fassungslosen.
„Es handelt sich um tausend Mark. Ursache der Erpressung ist ein Vergehen, das er sich vorgestern hat zuschulden kommen lassen.“
„Vorgestern? Moment mal, vorgestern hat er doch gearbeitet...“
„Eben. Bei Dienstschluß hat er eine kleine Rechenmaschine in seine Tasche gepackt, um sie übers Wochenende zu benutzen. Jemand aus dem Nachbarzimmer hat ihn dabei beobachtet und verlangt jetzt für sein Schweigen den Betrag von tausend Mark.“
„So eine Gemeinheit!“ stieß Gerlach empört hervor. Und noch einmal: „So eine Gemeinheit!“
„Ist Ihnen an einem Ihrer Kollegen etwas aufgefallen?“ Gerlach stützte den Kopf in beide Hände und grübelte vor sich hin. Als er wieder aufsah, stand Ratlosigkeit in seinen Augen.
„Nein, ich wüßte nicht..
„Sind Sie musikalisch, Herr Gerlach?“
„Musikalisch?“ wiederholte der überrascht. Und dann: „Ich weiß zwar nicht, was diese Frage bedeutet, aber ich muß zugeben, daß ich total unmusikalisch bin... Nicht mal auf dem Kamm kann ich blasen...“ Er versuchte ein Lächeln.
Bernd Martin gab das Lächeln zurück und erhob sich: „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Gerlach, wenn Sie Ihre Zimmerkollegen nicht über meinen Besuch bei Ihnen informieren würden.“
Gerlachs Hand fuhr durch die Luft.
„Da können Sie völlig unbesorgt sein. Ich habe keinerlei private Kontakte zu meinen Arbeitskollegen.“
Als Bernd Martin vor dem Haus Amalienstraße 158 stoppte, war es genau 10 Uhr 50, und es begann zu regnen. Zwei Minuten später klingelte er an der Tür mit dem Namen S. Fiedler.
Stefan Fiedler öffnete selbst. Er war ein großer, hagerer Mann mit einer rötlichen Nase und runzligen Augenlidern, die müde blinzelten. Er trug einen dunklen Anzug mit Nadelstreifen und hielt in der Hand ein halbvolles Weinglas.
„Und das vor dem Mittagessen“, durchfuhr es Bernd Martin.
„Wollen Sie zu mir?“ schnarrte Fiedler heiser.
„Wenn Sie Herr Fiedler sind — ja!“
„Ich bin Fiedler... Für wen sammeln Sie?“
„Für niemanden!“ Martin bemühte sich, aufkommende Heiterkeit zu unterdrücken. „Ich hätte Sie gern gesprochen!“
Fiedler trank sein Glas aus, rülpste leise und stellte fest: „Bitte, ich kann Sie aber nicht hereinbitten, ich hab’ das Haus voller Gäste. Um was geht’s denn?“
„Um Ihren Kollegen Bühler!“
„Bühler? Wieso Bühler? Sind Sie vielleicht von der Polizei?“
„Nein, ich stelle private Ermittlungen an!“
Stefan Fiedler runzelte verständnislos die Stirn.
„Bühler... private Ermittlungen... Ich verstehe kein Wort. Ist Bühler in Schwierigkeiten?“
„So könnte man es auch nennen. Er war so leichtsinnig, sich für Privatzwecke etwas aus dem Büro mit nach Hause zu nehmen.“
„Wann?“ rief Fiedler.
„Am Freitag!“
„Am Freitag!“ echote Fiedler und blickte den Detektiv starr an.
Dieser fuhr fort: „Sein Pech war es, daß ihn einer aus dem Zimmer, in dem auch Sie arbeiten, dabei beobachtete... Nun ja, Herr Fiedler, Sie kennen sicher den Paragraphen 217...“
Stefan Fiedler blinzelte stärker, und seine Stimme war noch heiserer:
„Aber derjenige wird das doch für sich behalten... Verdammt noch mal, der wird doch dem Bühler keine Schwierigkeiten machen!“
„Leider hat derjenige diese Absicht nicht, Herr Fiedler. Wenn Herr Bühler keine tausend Mark Schweigegeld zahlt, will er ihn der Firmenleitung melden.“
Der Hagere schüttelte den Kopf, immer wieder.
„Das ist ja kaum zu glauben.“ Doch plötzlich hielt er den Kopf still. Seine Augen blickten starr und fast drohend, als er fragte: „Sie halten doch nicht etwa mich für den Bösewicht?“
„Ich habe noch gar keine Meinung, Herr Fiedler. Darf ich Sie trotzdem etwas fragen?“
„Bitte!“
„Sind Sie musikalisch?“
„Ja, ich spiele leidlich gut Klavier!“
„Auch noch andere Instrumente?“
„Das eine oder andere. Aber nicht besonders gut…“
„Auch Melodica?“
„Ich habe es noch nie probiert... Aber ich bin sicher, daß ich das auch blasen kann... Hat das was mit Bühler zu tun?“
„Ja, Herr
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