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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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haben wir uns alle ein wenig Ruhe verdient, bevor wir am Montag mit Aufräumen weitermachen. Gute Nacht und Gott schütze Sie alle. «
    » Lass uns für heute ebenfalls Schluss machen, ja « , sagte ich zu Gwen. » Mutter wollte uns noch schnell etwas zum Essen machen. «
    Auf dem Weg zum Haus sagte sie leise: » Du warst heute Abend unglaublich, Lily, hast mich so sehr an Harold erinnert. Und die Leute haben dich voller Respekt angesehen. «
    » Das ist das Netteste, was mir irgendjemand seit langer Zeit gesagt hat « , sagte ich und umarmte sie. » Wir sind so ein gutes Team, du und ich. Ohne dich hätte ich das alles nie geschafft. «
    Gwen küsste mich auf die Wange, dann gingen wir hinein.
    Ich hatte seit Wochen nichts mehr von Vera gehört, bis eines Abends ihre Mutter bei uns anrief.
    » Könntest du vielleicht bei uns vorbeischauen, Lily? Vera ist für ein paar Tage zu Hause und würde dich gerne sehen. «
    Warum rief sie mich nicht selbst an, wunderte ich mich und fragte ihre Mutter. Die aber meinte bloß: » Das wird sie dir selbst erzählen. Sie ist halt ein bisschen mit den Nerven runter. «
    » Soll ich gleich kommen? « , fragte ich beklommen und dachte unwillkürlich an meinen hässlichen Wutausbruch. Nahm Vera mir das vielleicht nach wie vor übel und wollte mit mir darüber reden? Verständlich wäre es ja.
    Also machte ich mich auf den Weg und fand Vera mit blassem Gesicht auf dem Bett sitzend vor. » O Lily, ich bin ja so froh, dass du gekommen bist. « Ihr Zimmer schien sich seit der Zeit, als wir hier viele Nächte lang geschwätzt und gekichert hatten, kaum verändert zu haben. An den Wänden hingen immer noch Poster von Filmstars und Pferden – Vera hatte nie gewusst, wem sie die Vorzugsplätze auf der geblümten Tapete einräumen sollte.
    » Was ist denn los mit dir? Deine Mutter murmelte etwas von den Nerven. « Ich setzte mich aufs Bett und nahm ihre zitternde Hand.
    » Es ist nichts. Ich brauche nur mal wieder ein paar Nächte Schlaf. «
    » Hattest du Nachtschicht? «
    Sie schüttelte den Kopf. » Es ist wegen der V2. Jede Nacht, und man hört sie lange nicht kommen. Eigentlich ist es fast schlimmer als bei den großen Bombenangriffen vor ein paar Jahren. Da konnte wenigstens frühzeitig gewarnt werden. Wenn man die Rakete hört, ist es meist schon zu spät. « Sie bebte jetzt am ganzen Körper und schluchzte bitterlich. » O Gott, Lily, wann hört das endlich auf? «
    » Es handelt sich, so schlimm es auch sein mag, um eine Art Torschlusspanik. Es kann bestimmt nicht mehr länger als ein paar Monate dauern. So lange müssen wir durchhalten. « Ich tat mein Bestes, sie aufzumuntern, und traute nicht einmal selbst meinen Worten.
    » Ich kann nicht mehr « , jammerte sie. » Jedes Bett ist belegt: Feuerwehrmänner, Polizisten, Rettungswagenfahrer, Fabrikarbeiter. Männer, Frauen und Kinder, ganz normale Familien. Unschuldige Opfer. Unzählige sterben uns unter den Händen weg, und nur die wenigsten werden wieder richtig gesund. Viele haben schwere Verbrennungen erlitten und bleiben für immer entstellt, bei anderen wurden Gliedmaßen amputiert, um ihr Leben überhaupt zu retten. Häufig sind auch die Lungen kaputt von dem ganzen Qualm. Am schlimmsten ist es, die Kinder zu sehen, die eigentlich ihr Leben noch vor sich haben sollten. Trotzdem müssen wir ein tapferes Gesicht aufsetzen und so tun, als sei alles bestens. Und das halte ich langsam nicht mehr aus. «
    Sie drückte den Kopf in ihr Kissen, und ihre schmalen Schultern bebten. Hilflos strich ich ihr übers Haar, denn ich wusste allzu gut, dass es Dinge gab, wo kein Trost half.
    Ein wenig später, nachdem ihre Mutter uns Tee gebracht hatte, sprach ich sie zögernd auf meinen Wutanfall an. » Ich muss dich um Entschuldigung für mein schlechtes Benehmen neulich bitten. Hoffentlich habe ich die Situation dadurch für dich nicht noch schlimmer gemacht. «
    » Sei nicht albern « , sagte sie und lächelte zum ersten Mal. » Das ist längst vergessen. Wir haben uns auch nicht gerade sonderlich einfühlsam verhalten, obwohl wir wussten, was du durchmachst. Es ist eben manchmal schwierig, darauf richtig zu reagieren. «
    Ein paar Tage später dann kam Vera zum Tee ins Kastanienhaus. » Mutter kann es kaum erwarten, dich zu sehen und dir das Päckchen zu zeigen, das sie für John gerade fertig macht « , begrüßte ich sie. » Und ihr könnt darüber reden, soviel ihr wollt. Ich helfe Gwen derweil mit dem Tee in der Küche. «
    Als ich Vera

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