Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow

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Risiko. Ich musste den Mut aufbringen, ihr eindeutig klarzumachen, dass sie mehr als Freundschaft nie von mir erwarten durfte. Damit sie die Grenzen kannte und akzeptierte und auch ich sicher sein konnte, woran ich mit ihr war. Doch immer wieder verschob ich dieses unangenehme Gespräch.
    Schließlich durfte ich sie nicht verletzen, dazu war sie viel zu wichtig für die Firma. So gingen die Tage dahin. Nie schien der richtige Moment zu sein. Und dann war es zu spät.
    » Miss Lily, da ist ein Mann im Besuchszimmer, der Mrs. Holmes sprechen möchte. «
    » Hat er gesagt, wie er heißt? «
    » Entschuldigung, ich habe vergessen, ihn zu fragen. « Meine Sekretärin blickte verlegen zu Boden.
    » Uniform? «
    » Nein, Zivilkleidung. «
    » Sagen Sie ihm, ich komme in wenigen Minuten zu ihm. Bringen Sie ihm eine Tasse Tee oder Kaffee, während er wartet. «
    Ein absurder Gedanke schoss mir durch den Kopf. Ein Silberstreif der Hoffnung, der sich am Ende nur als Fata Morgana erweisen würde. Was wäre, wenn man mir mitteilte, er sei doch noch am Leben, läge irgendwo verletzt in einem Lazarett … Seit dem Telegramm waren drei Monate vergangen, ohne dass ich eine offizielle Bestätigung über Stefans Verbleib erhalten hätte. Bislang galt er nicht als amtlich tot. Brachte dieser Fremde vielleicht eine Nachricht von ihm?
    Ich erkannte auf den ersten Blick, dass der junge Mann bis vor Kurzem beim Militär gewesen war: Seine zackigen Bewegungen und der kurze Haarschnitt verrieten es mir. Als er sich erhob, um mich zu begrüßen, sah ich, dass sein linker Ärmel leer herabbaumelte.
    » Mrs. Holmes? Mein Name ist Peter Newman. Danke, dass Sie mich empfangen. « Er sprach mit einem leichten Akzent, und ich tippte auf eine polnische Herkunft.
    » Bitte, setzen Sie sich. « Ich musste mir Mühe geben, meine Stimme unter Kontrolle zu halten, so nervös war ich. Kurz überlegte ich, mit ihm hinüber ins Haus zu gehen, verwarf den Gedanken sogleich wieder. Nein, dem hier stellte ich mich besser ohne Mutter in der Nähe.
    » Mr. Newman. Was führt Sie her? «
    Er lächelte mich an, wobei schiefe Zähne sichtbar wurden, und griff nach einer kleinen khakifarbenen Baumwolltasche. Sie sah genauso aus wie jene, in die Fallschirme gepackt wurden. Ich atmete tief ein und wappnete mich gegen das, was kam.
    » Ich war ein guter Freund von Steve, Ihrem Ehemann « , sagte er und öffnete geschickt die Tasche mit einer Hand. Steve, welch fremder Name. » Er war ein sehr mutiger Mann. Ein wunderbarer Freund. Das hier ist für Sie. «
    Meine Hände zitterten, als ich den Umschlag mit Stefans vertrauter, schnörkeliger Handschrift entgegennahm. Für meine liebste Lily, las ich. Ich wusste genau, was das hier war: Alle Soldaten schrieben vorsorglich einen letzten Brief, bevor sie an die Front gingen oder den ersten Einsatz flogen.
    » Danke « , sagte ich leise. » Ich werde ihn später lesen. «
    » Natürlich « , sagte er. » In dieser Tasche befinden sich außerdem ein paar persönliche Dinge, die Sie vielleicht haben möchten. Ich lasse sie Ihnen da. «
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte – jetzt, wo alles klar war. Trotzdem wollte ich es von ihm hören. » Sie verwenden die Vergangenheitsform, wenn Sie von meinem Mann sprechen – ich nehme an, Sie wollen mir seinen Tod mitteilen « , sagte ich. » Bislang gab es keine offizielle Bestätigung. « Meine Stimme klang in meinen Ohren so fremd, als würde ein anderer sprechen und all diese schrecklichen Dinge sagen.
    Er sah ein wenig überrascht aus und nickte langsam. » Ich fürchte ja, Mrs. Holmes. Es tut mir unendlich leid. Ich hatte keine Ahnung, dass man Ihnen noch nicht Bescheid gegeben hat. Möchten Sie eine Zigarette? « Er zog aus seiner Tasche geschickt ein Zigarettenetui, bot mir eine an, nahm selbst eine zwischen die Lippen und gab uns beiden Feuer.
    Ich zog an der Zigarette und schaute ihn an. »Können Sie mir sagen, wie er gestorben ist? «
    Er senkte den Blick. » Offiziell heißt es, dass er im Zusammenhang mit feindlichen Handlungen ums Leben kam. « Im Zimmer wurde es still, und er blickte auf. » Ich möchte ehrlich Ihnen gegenüber sein, Mrs. Holmes. So war es nicht. Ihr Mann ist nicht im Kampf gefallen, doch was er getan hat, war mindestens genauso tapfer. Womöglich sogar erheblich mutiger. «
    Als ich sah, dass sein Blick zu der geöffneten Tür ging, erhob ich mich und schloss sie. Sobald ich wieder Platz genommen hatte, holte er tief Luft. » Mrs. Holmes, was ich