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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Seidenfabrik gegeben. Alles ganz legal. Es gibt Unterlagen, die das beweisen. «
    » Ich verstehe. Und dazu gehört auch ein enger privater Umgang? « , fragte er und blickte zu mir herüber, um mich in die Frage mit einzuschließen.
    » Also wirklich, das ist verdammt impertinent! « Ich hatte Vater noch nie fluchen gehört. » Das geht Sie nun wirklich überhaupt nichts an. «
    » Da täuschen Sie sich, Mr. Verner « , sagte der Mann überheblich. » Es geht mich sehr wohl etwas an. Im Auftrag des Kriegsministeriums habe ich sicherzustellen, dass Constable Kilby die neuen Beschlüsse der Regierung umsetzt und die betroffene Personengruppe tatsächlich festnimmt, wenn Sie so wollen. Ihre Leute werden mit anderen in ein eigens eingerichtetes Internierungslager gebracht werden. Sie werden verstehen, dass es sich angesichts der wachsenden Sorge wegen einer Landung deutscher Truppen um eine notwendige Maßnahme handelt, im Einzelfall vielleicht um eine heikle. «
    » Generell verstehe ich das natürlich « , Vater mäßigte seine Stimme ein wenig, » aber das wird mich nicht davon abhalten, gegen eine solch absurde Unverhältnismäßigkeit zu protestieren. Das hier sind harmlose Jungen, jüdische Flüchtlinge, für die ich mich verbürge. «
    Constable Kilby war inzwischen wieder hineingegangen und rief: » Beeilt euch mal ein bisschen, Jungs! « In diesem Moment begriff ich, dass niemand verhindern konnte, was gerade passierte. Auch Vater nicht. Uns blieben bloß noch ein paar Minuten. Ich drängte mich an dem Polizisten vorbei, rannte die Treppe zu Stefans Zimmer hoch und knallte die Tür hinter mir zu. Sein Koffer war geschlossen. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett.
    » Es ist so unfair. « Ich legte ihm den Arm um die Schultern, aber er reagierte nicht, und sein Körper fühlte sich kalt und irgendwie starr an, als würde ein Eispanzer ihn umhüllen. Eine Weile saßen wir schweigend da.
    Er seufzte und rieb sich heftig die Augen. » Ich weiß nicht, was wir falsch gemacht haben. «
    » Es ist bloß eine Vorsichtsmaßnahme der Regierung, die bestimmt zurückgenommen wird, wenn die Gefahr einer Invasion vorbei ist. « Meine Worte klangen hohl – sie überzeugten nicht einmal mich selbst. » Vielleicht kann ich sogar kommen und dich besuchen. «
    Ich konnte beinahe körperlich fühlen, wie die Sekunden verrannen.
    Er drehte sich um, nahm mein Gesicht in die Hände und sah mir in die Augen. » Ich liebe dich, Lilymaus, vergiss mich nicht « , sagte er auf Deutsch. Es klang beschwörend und zugleich wie ein Gebet.
    » Ich liebe dich auch und werde auf dich warten, wie lange es auch dauern mag. «
    » Kannst du für mich auf das hier aufpassen? « Er reichte mir eine Art Federmäppchen aus schwarzem Leder.
    » Was ist darin? «
    » Meine Fotos und ein paar andere Wertgegenstände, die meine Mutter mir gegeben hat. Sie sind bei dir sicherer, als wenn ich sie mitnehme. «
    » Ich werde sie hüten wie meinen Augapfel « , sagte ich und gab mir große Mühe, dass meine Stimme nicht zitterte. Schließlich wollte ich stark für ihn sein. » Jetzt weiß ich, dass du zu mir zurückkommst. «
    Als wir uns küssten, rief der Constable erneut: » Kommt schon, Jungs. Noch zwei Minuten, oder ich muss euch holen. «
    Ich klammerte mich an Stefan, wollte die Zeit anhalten, versuchte das Gefühl seiner Lippen auf meinen einzufangen und zu bewahren, die Wärme seines Körpers, die Berührung seiner Finger, den Duft seines Haars.
    » Schreib mir bald « , flüsterte ich.
    » Jeden Tag « , versprach er.
    Und dann waren wir unten und umarmten uns alle, bis die Beamten sie hinausführten. Mit nichts als den kleinen Koffern, mit denen sie vor so vielen Monaten hier angekommen waren. Türen öffneten sich und schlugen zu. Kurt winkte, Tränen rannen über Walters Wangen, und Stefan blickte mit traurigen Augen noch einmal sehnsüchtig zu mir hin.
    Constable Kilby schob sich hinters Lenkrad, und als Wieselgesicht sich neben ihn setzte, lief ich los, um mich mit ausgebreiteten Armen vor den Transporter zu stellen, als könnte ich ihn mit der Kraft der Verzweiflung am Wegfahren hindern. Vater brüllte: » Lily, nicht! « , packte mich am Arm und zog mich zurück. Hielt mich fest, und gemeinsam sahen wir schweigend zu, wie der Transporter beschleunigte und am Ende der Straße um eine Ecke bog und verschwand.
    Ich hielt Vaters Hand fest und lehnte mich an ihn, um nicht zusammenzubrechen. Mir war, als sei die Welt stehen geblieben und ich allein

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