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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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bei diesem Gedanken fühlen. Sie hatte sorgfältig gewählt und war so voller Hoffnung gewesen, dass Isaura dem Vermächtnis folgen würde. Nein, das durfte sie ihr nicht antun! Aber wie konnte sie den Erwartungen ihrer Großtante gerecht werden?
    Isaura war ratlos.
    »Hast du dich denn nun entschieden, ob du die Erbschaft annimmst?«
    Isaura schwieg. Wenn sie Ja sagte, dann würde Justus wissen wollen, welche Pläne sie mit dem Anwesen hatte, und genau diese Frage konnte sie nicht beantworten.
    »Schwierige Entscheidung«, kommentierte er ihr Schweigen mit einem Nicken, obgleich seine Gedankengänge sich sicher deutlich von den ihren unterschieden.
    »Am besten, ich sehe es mir selbst einmal an. Vielleicht kann ich dir dann raten, was das Beste ist. Soweit ich das auf der Karte sehe, fahren wir ja eh durch Tordesillas, ehe wir zu dem Hotel kommen, das du gebucht hast.«
    Isaura nickte nur. Irgendetwas in ihr schrie auf und wehrte sich, aber was hätte sie sagen sollen? Wir sind zwar seit Jahren miteinander verheiratet und versuchen nach diesem schmerzhaften Bruch wieder eine Ehe miteinander zu führen, doch Carmens Anwesen geht dich nichts an! Mehr noch, dort will ich dich nicht haben! Es gehört ganz allein mir, und du darfst es nicht sehen. Hätte sie ihm das an den Kopf werfen sollen?
    Isaura fühlte sich schlecht dafür, dass sie so empfand. Es kam ihr vor, als würde sie Verrat an Justus begehen. Ja, es war auch so etwas in der Art, wenn auch nicht mit einer heimlichen Geliebten zu vergleichen. Dennoch schloss nun sie ihren Mann aus einem Teil ihres Lebens aus. Wollte etwas, das ihr wichtig war, nicht mit ihm teilen.
    Isaura zwang sich zu einem Lächeln. »Gut, machen wir es so, dann kann ich auch Golondrino sein Abendessen hinstellen. Er ist sicher beleidigt, wenn er nichts bekommt.«
    Justus hob die Augenbrauen. »Golondrino?«
    »Ein getigerter Kater, der vermutlich Großtante Carmen gehört hat und den ich sozusagen adoptiert habe. Ich habe ihn Landstreicher getauft, was mir ein sehr passender Name für ihn scheint.«
    »Aha, ein Kater namens Landstreicher – und was noch? Ein paar Kühe, Pferde und Schweine?« Seine Stimme klang unnötig sarkastisch.
    Isaura hob die Schultern. »Nur Hühner und Hasen, aber denen haben meine Nachbarinnen bereits Asyl gegeben und sie damit vor dem Hungertod gerettet. Aber Pferde wären eine gute Idee. Groß genug wäre das Anwesen dafür«, fügte sie fast ein wenig boshaft hinzu, doch Justus tat ihr nicht den Gefallen, die Bemerkung ernst zu nehmen.
    »Ja, ich kann dich schon als spanische Bäuerin vor mir sehen«, spottete er. »In deinen Münchner Designerklamotten mit Kittelschürze darüber, Kopftuch und Pantoffeln.«
    Isaura verkniff sich eine Erwiderung und wies ihn nur darauf hin, dass er bei der abgestorbenen Pappel links abbiegen musste.
    Justus folgte der zunehmend holprigen Straße, die eher die Bezeichnung Feldweg verdiente. Obgleich Isaura den Weg nun schon einige Male befahren hatte, kam ihr sein Zustand heute besonders schlecht vor. Sie sah, wie Justus die Lippen aufeinanderpresste, während er vergeblich versuchte, allen Schlaglöchern auszuweichen.
    »Dort an der Mauer beginnt das Grundstück«, sagte Isaura, und es kam ihr so vor, als hörte sich ihre Stimme wie die eines verunsicherten Kindes an.
    Justus hielt bei der Ruine des Herrenhauses an und stieg aus. Er ging einmal um das Gebäude herum, betrachtete den Turm und die von ihm ausgehenden Mauerreste und schüttelte dann den Kopf.
    »Vermutlich alles einsturzgefährdet. Da kann man überhaupt nichts mehr mit anfangen. Man müsste richtig viel Geld in die Hand nehmen. Nein, das lohnt sich nicht!«
    Obwohl Isaura zu einem ähnlichen Schluss gekommen war, wehrte sie sich gegen seine Worte, die ihr kalt und hart vorkamen. Sie wollte etwas entgegnen, da nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr: eine Frau in einem langen Gewand mit einem dunklen Umhang, eine Kapuze bis ins Gesicht gezogen. Sie musste aus dem Turm gekommen sein und ging nun an der Mauer entlang. Isaura konnte die Züge nicht erkennen, doch sie war sicher, dass es sich um eine Frau handelte. Um eine alte Frau. Verblüfft wandte sie sich ihr zu, doch da war niemand.
    »Hast du das gesehen?«
    »Was?«
    »Die Frau. Eine Frau mit einem langen Kapuzenumhang. Dort vorn am Turm.«
    Justus schüttelte den Kopf. »Da war niemand. Und jetzt komm! Ich möchte mir das Haus noch ansehen, ehe es dunkel wird.«
    Verwirrt nickte Isaura und folgte

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