Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
erkundige dich bei diesem Anwalt, ob man einen Käufer für das Ganze finden kann, ansonsten lass die Finger davon, wenn du nicht ordentlich bluten – oder eben Eigentümerin von ein paar Hektar wertlosem Ödland und zwei Ruinen sein willst!«
Es fiel Isaura schwer, nichts zu erwidern. Sie hielt die Luft an und presste die Lippen zusammen, doch innerlich hatte sie das Gefühl, bersten zu müssen.
Die Straße machte unvermittelt eine Kurve, doch statt langsamer zu werden, beschleunigte der Wagen. Justus riss das Lenkrad herum. Die Reifen quietschten, und der Wagen schlingerte auf die Gegenfahrbahn. Mit einem Aufschrei steuerte er auf seine Spur zurück.
»Was machst du denn?«, rief Isaura erschrocken. Auch Justus war bleich.
»Keine Ahnung, was das eben war. Ich habe gebremst, aber der Wagen wurde schneller!« Er stieß die Luft aus. »So etwas ist mir noch nicht passiert. Ist gerade noch mal gut gegangen.«
Als sie sich Toro näherten, veränderte sich die Landschaft in der zunehmenden Dämmerung. Der zuvor eher blassbraune Boden leuchtete im Scheinwerferlicht in kräftigem Rot. Vor ihnen wuchs eine gewaltige rote Klippe über dem nördlichen Ufer des Duero auf. Die weichen Felsen waren ausgewaschen und zerfurcht. Das Regenwasser hatte tiefe Schluchten eingegraben.
»Für wie viele Nächte hast du denn das Zimmer gebucht?«, erkundigte sich Justus, der sich von seinem Schreck wieder erholt hatte.
»Jetzt erst einmal für eine«, gab Isaura Auskunft. »Du hast mir ja nicht gesagt, wie lange du bleiben willst. Aber das Hotel ist nicht ausgebucht. Wir können jederzeit verlängern. Oder wir fahren ein wenig herum und schauen uns Kastilien an. Was ich bisher gesehen habe, ist gleichermaßen beeindruckend und interessant. Vor allem die vielen Burgen gefallen mir.«
Justus wehrte ab. »Nein, das musst du allein machen. Ich weiß, der Verlag verlangt eine Reportage, aber ich werde morgen gegen Abend zurückfliegen.«
»Warum das denn? Kannst du dir nicht freinehmen?«, fragte Isaura enttäuscht. »Ich denke, wir sollten diese Affäre vergessen. Ich bin zumindest bereit, es zu versuchen. Meinst du nicht, dass uns eine solche Reise – fern von unserem Alltag – guttun würde? Es könnte alles ein wenig leichter wieder ins Lot bringen.«
Justus schüttelte den Kopf. »Falls du mit ins Lot bringen meinst, dass wir es noch einmal miteinander versuchen sollten, so muss ich dir leider sagen, dass das nicht funktionieren wird.«
»Was?« Isaura glaubte, sich verhört zu haben. »Wie meinst du das?«
»Ich habe mit Sandy darüber gesprochen.«
Allein der Name bereitete ihr Übelkeit, und sie dachte, sie müsse sich gleich übergeben.
»Was gibt es da zu besprechen? Ich denke, du hast mit ihr Schluss gemacht? Hast du nicht gesagt, dass du sie nicht wiedersehen wirst? Dass es nichts Ernstes ist?« Ihre Stimme stieg mit jedem Satz um einige Halbtöne an.
»Ja, ich habe darüber nachgedacht«, sagte er widerstrebend, »aber das musste ich ja auch mit Sandy besprechen.«
In Isauras Kopf begann sich alles zu drehen. Er musste mit seiner Affäre besprechen, ob er einen Neuanfang mit seiner Frau wagen wollte? Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Jedenfalls ist jetzt alles ganz anders. Sandy ist schwanger. Sie bekommt ein Kind. Mein Kind! Da kann und will ich mich nicht von ihr trennen.« Er holte tief Luft. »Deshalb bin ich hergekommen, um es dir gleich zu sagen. Ich werde die Scheidung einreichen und so bald wie möglich zu ihr ziehen. Vermutlich bin ich schon weg, wenn du aus Spanien zurückkommst.«
Isaura brauchte einige Augenblicke, bis sie verstand, was er ihr sagte. Das Wort Scheidung schrillte in ihrem Kopf und noch lauter: schwanger! Sandy bekommt mein Kind.
Was? Er wollte mit ihr zusammenbleiben, weil sie schwanger war? Justus, der immer betont hatte, er würde keinen Wert auf Kinder legen und alles lieber so belassen, wie es war?
Aus und vorbei. Zehn gemeinsame Jahre einfach so weggewischt. Isaura hatte das Gefühl, ihr habe jemand den Boden unter den Füßen weggezogen und sie würde in einen tiefen schwarzen Abgrund stürzen. Dann kam der Schmerz. Er war größer, als sie es ertragen konnte. Etwas explodierte in ihr. Die Druckwelle schien sie zu zerreißen. Ein Schrei stieg in ihr auf.
Sie wusste nicht, ob sie wirklich schrie oder ob es nur in ihren eigenen Ohren gellte. Glas splitterte. Sie konnte nichts mehr sehen. Nun hörte sie auch Justus voller Entsetzen aufschreien. Alles begann sich zu
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