Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Frauen wie ihre Tante Dominga und sie selbst ablehnen musste. Ihre Kräfte passten nicht zu der reinen Lehre der katholischen Kirche!
Sein Gesicht kam noch näher. »Die einzige Möglichkeit, die mir einfällt, ist, dass Ihr mit dem Verräter im Bunde seid, der die Nachricht so schnell über die Berge zum König trug!«
»Nein!«, rief Jimena entsetzt, obgleich ihr klar wurde, dass der Erzbischof es sich gar nicht anders erklären konnte.
»Nein«, wiederholte sie. »Das müsst Ihr mir glauben. Ich habe Isabel Treue geschworen und würde sie niemals verraten.«
»Dann sagt mir, wie es kommt, dass Ihr davon wisst!«
Er bannte sie mit seinem Blick, aus dem es kein Entrinnen gab. Wie eine Schlange ihr Opfer lähmt, ehe sie zum tödlichen Biss vorschnellt.
Jimena konnte nicht anders. »Ich habe es gesehen.«
»Gesehen? In Euren Träumen? In einer Vision?«
»Nennt es, wie Ihr wünscht, Exzellenz, aber ich weiß, dass es wahr ist.«
Der Erzbischof nickte. »Habt Ihr das öfter, Doña Jimena? Solche Gesichte, wie man es nennt?«
»So dann und wann«, gab sie widerstrebend zu.
»Und was meint Ihr«, fragte er mit so sanfter Stimme, dass in Jimena die Alarmglocken schrillten, »wer sie Euch schickt? Sind es Gottes Engel oder eher die Dämonen des Teufels?«
»Ich kenne mich mit solchen Dingen nicht so gut aus, Eure Exzellenz«, gab Jimena schroff zurück. »Das ist Euer Gebiet, doch wenn mir diese Träume eingegeben werden, um Isabel vor ihren Häschern zu bewahren, dann werden sie wohl kaum von einem Boten der Hölle stammen!«
»Ein gutes Argument«, stimmte ihr der Erzbischof mit noch immer sanfter Stimme zu. »Ich glaube, wir müssen uns einmal ganz in Ruhe unterhalten. Nur wir beide!«
Jimena lief es bei dieser Vorstellung eiskalt über den Rücken. Sie nickte nur stumm.
»Jedenfalls kann ich Euch bestätigen, dass Eure Träume Euch die Wahrheit gesagt haben«, fuhr er nun ein wenig lauter fort. »Deshalb bin ich hier. Meine Spione haben mir berichtet, dass der Marquis de Villena mit einer Streitmacht die Cordillera überschritten hat und nun vermutlich nicht einmal mehr einen Tagesritt entfernt ist. Wir müssen sofort aufbrechen und Prinzessin Isabel in Sicherheit bringen.«
»Wohin?«, wollte Jimena wissen.
Der Erzbischof lächelte sarkastisch. »Ich meine, es wird Zeit, dass die Infantin Isabel wieder einmal ihre Mutter besucht, findet Ihr nicht auch? Und nun lauft und weckt sie auf, dass sie sich reisefertig macht. In einer Stunde brechen wir auf.«
Jimena verbeugte sich knapp und lief dann die Treppe hinauf zu den Gemächern, die sie mit Isabel und den anderen Mitgliedern ihres kleinen Hofstaats bewohnte. Während Isabel und Beatriz noch schliefen, traf sie Teresa hellwach an. Sie hatte sich bereits angekleidet, und es wunderte Jimena nicht, dass sie ihr robustes Reisekleid und derbe Schuhe trug. Sie sah ihre Cousine mit diesem aufmerksamen Blick an, der vermuten ließ, dass es nicht viel gab, das dem stummen Mädchen entging. Nun, als Jimena zu ihr trat, hob sie fragend die Augenbrauen.
»Wohin? Nach Arévalo. Carrillo will Isabel im Palast ihrer Mutter in Sicherheit bringen, damit sie nicht in die Hände des Marquis und damit in die ihres Bruders fällt, der von ihren eigenmächtigen Heiratsplänen nicht erfreut ist.«
Teresa überlegte, dann nickte sie, sah aber nicht gerade glücklich aus.
»Was ist? Fürchtest du dich vor der langen Reise über die Be rge? Es ist noch recht kalt, und auf dem Pass liegt sicher noch Schnee. Ja, ich denke, es wird eine unbequeme Reise werden.«
Teresa schüttelte heftig den Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung. Das unwirtliche Wetter schien sie nicht zu schrecken. Was dann? Jimena überlegte. Teresa griff nach ihren Händen. Ihr Blick wurde noch eindringlicher, und plötzlich war es Jimena, als könne sie eine Stimme in ihrem Geist hören, die sie noch nie vernommen hatte. Eine mädchenhafte, doch sehr ernste Stimme.
Ist Isabel im Palast ihrer Mutter wirklich in Sicherheit? Wer könnte sie dort schützen, wenn Villena seine Truppen von Ocaña abwendet und wieder nach Norden führt? Carrillo ist dann weit! Seine Männer sind damit beschäftigt, den Erzbischof von Sevilla abzuwehren.
Jimena klappte vor Erstaunen der Mund auf. Sie hatte nicht über ihren Traum gesprochen. Woher also konnte Teresa von der Gefahr bis hin zu Villenas Truppen und seinen Verbündeten aus Sevilla wissen?
Natürlich! Teresa war Domingas Tochter. Warum sollte nicht auch sie
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