Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Jimena betrachtete das Bildnis. Sie wusste nicht, ob Isabel an seiner Seite glücklich werden würde, doch sie hätte es ganz sicher schlechter treffen können.
»Und? Wie lautet deine Antwort?«, erkundigte sich Beatriz.
»Sie wird ihn heiraten«, entschlüpfte es Jimena, ehe sie es verhindern konnte.
Isabel nickte. »Ja, ich denke, das ist die richtige Entscheidung. Der Erzbischof und der Admiral haben mir über die neuesten Entwicklungen auf der anderen Seite berichtet. Die portugiesische Partei stellt sich hinter La Beltraneja und will ihr auf den Thron helfen. Daher brauchen wir eine ausgleichende Macht, und die finden wir im Osten in Aragón. Fernando wird den Thron erben – vermutlich schon bald, wenn wir bedenken, wie alt der König ist.«
»So, das ist also die Meinung des Erzbischofs«, stellte Jimena fest. »Und wie denkst du selbst darüber? Willst du Fernando von Aragón heiraten?«
Isabel nahm das Bildnis und sah eine Weile schweigend auf die Gestalt herab, die ernst zu ihr heraufblickte. Ein wenig unsicher hob sie die Schultern.
»Ich bin jetzt siebzehn. Wie lange kann ich dem Verheiratetwerden noch entgehen? Ich werde irgendwann einen Gemahl an meiner Seite brauchen, und ich liefere mich ganz sicher nicht an jemanden aus, der mich beherrschen will und mir das Zepter aus der Hand windet. Ich werde die Königin von Kastilien sein und mich niemals unterordnen.« Sie machte eine Pause und rang nach Worten. »Vielleicht ist es richtig, den Blick nach Osten zu wenden und Kastilien durch Aragón zu stärken, und vielleicht kann dies der Mann sein, der mich unterstützen wird, statt gegen mich zu kämpfen.« Wieder schwieg sie und drehte die Miniatur in ihrer Hand. »Vielleicht werden wir nicht nur zusammen herrschen. Vielleicht werden wir uns auch lieben.«
Es waren drei Wochen vergangen, seit Isabel ihr Einverständnis gegeben hatte, mit Juan II. von Aragón Kontakt aufzunehmen, um die Bedingungen einer Eheschließung mit seinem Sohn Fernando auszuhandeln. Der Erzbischof wusste, dass es wichtig war, die Sache vertraulich zu halten, da im Land die Vorbehalte gegen den Nachbarn im Osten groß waren, zumal mehr und mehr einflussreiche Leute der portugiesischen Partei zuneigten. Jetzt war es wichtig, die Sache möglichst zügig voranzutreiben, damit nichts dazwischenkam.
Jimena schlief schlecht in dieser Nacht. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere. Wilde Träume quälten sie. Sie sah ein Heer, das sich auf einem Hügel sammelte und dann auf eine Stadt zumarschierte. Dann befand sie sich plötzlich im Thronsaal des Königs in einem seiner Paläste. Sie konnte nicht erkennen, wo es war. Nicht in Valladolid und auch nicht in Segovia. Doch das war nicht wichtig. Der König war ungewöhnlich zornig. Er erhob die Stimme und schrie in seiner Wut.
Das wird sie nicht wagen! Ich verbiete es ihr. Sie hat sich meinen Befehlen zu fügen. Ausgerechnet mit Aragón will sie sich verbünden.
Sein Zorn strich wie der brennende Atem eines Drachen über Jimenas Haut. Dann starrte sie in die hasserfüllten Augen des Marquis de Villena.
Nein, das dürft Ihr Euch nicht bieten lassen, Majestät. Sie ist zu weit gegangen. Ihr müsst dafür sorgen, dass diese Ehe nicht zustande kommt. Holt sie zu Euch! Wenn sie nicht freiwillig kommt, dann zwingt sie dazu. Ich stelle Euch meine Männer zur Verfügung. Der Erzbischof von Sevilla ist auf Eurer Seite und wird von Süden her ein zweites Heer schicken. Ehe Carrillo weiß, wie ihm geschieht, habt Ihr Isabel in Euren Händen und könnt ihr ein für alle Mal einbläuen, dass sie Euch zu gehorchen und keine eigenmächtigen Entscheidungen zu treffen hat.
Jimena hielt vor Anspannung den Atem an. Die widersprüchlichsten Gefühle zuckten über des Königs Gesicht. Da rangen seine Enttäuschung und der Zorn mit seinem versöhnlichen Wesen, das alle so gut kannten. Auch Juan Pacheco schien zu befürchten, die harmoniebedürftige Seele des Königs könne die Oberhand gewinnen. Daher drängte er darauf, sofort die Truppen zusammenziehen und losmarschieren zu dürfen.
Ehe die in Ocaña wissen, dass Ihr von der geplanten Hochzeit Wind bekommen habt, sind wir schon über die Cordillera marschiert und stehen vor den Toren des Palasts. Ocaña ist nicht Ávila! Wir werden keine Schwierigkeiten haben, Isabel herauszuholen, und der Erzbischof von Sevilla wird mit seinen Männern Carrillos Truppen beschäftigen, bis Ihr Isabel sicher in Euren Händen habt.
Der König zögerte und rang
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