Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
ist völliger Unsinn. Ich möchte mit Ihnen sprechen. Aber dabei möchte ich nicht an einer Stelle stehen, von der aus ich Sie nicht sehen kann.«
»Sie werden kein Licht einschalten!«
»Zumindest kann ich Sie jetzt hören.« Plötzlich schweiften Peters Gedanken zu der erschreckenden Information des Taxifahrers ab. Draußen auf der Straße war ein Wagen. Beobachtete sie, wartete. »Okay, also kein Licht. Können wir uns setzen?«
Ihre Antwort war ein durchdringender Blick und dann eine plötzliche Bewegung, weg von der Wand. Er ging hinter ihr, trat durch einen Bogen in ein dunkles Wohnzimmer. Im Schein der Flurbeleuchtung konnte er üppige Polstersessel und ein großes Sofa sehen. Sie ging geradewegs auf den Sessel zu, der dem Sofa gegenüberstand. Das Rascheln ihres Rockes war das einzige Geräusch im Raum. Er zog den Mantel aus, warf ihn auf die Armlehne der Couch und nahm ihr gegenüber Platz. Die Flurbeleuchtung erhellte ihr Gesicht besser, als wenn sie neben ihm gesessen hätte.
»Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen«, begann er. »Wenn ich das etwas ungeschickt anpacke, dann, weil ich noch nie so etwas erklären mußte; vielleicht habe ich das, was man etwas irreführend als den kreativen Prozeß bezeichnet, noch nie analysiert. « Er zuckte die Achseln, als wäre ihm dieser Begriff unsympathisch. »Ich war sehr von Ihnen beeindruckt«, sagte er.
»Sie sind sehr freundlich.«
»Bitte. Sie wissen, was ich meine. Mein Vater ist sein ganzes Leben lang Zeitungsmann gewesen. Als wir uns begegneten, da bin ich ganz sicher, war ich mehr beeindruckt als Sie. Die Tatsache, daß Sie mich interviewen wollten, kam mir irgendwie verrückt vor. Mir tat das gut, und es hatte gar nichts mit meinen
Büchern zu tun. Sie sind Teil von etwas sehr Wichtigem und besitzen eine Bedeutung, die ich nicht habe. Ich war verdammt beeindruckt. Und es war ein prima Abend. Ich habe zuviel getrunken und Sie auch, aber was soll’s schon?«
»Sie töten mich auf die süße Tour, junger Mann«, flüsterte sie.
Peter hielt den Atem an, blieb bemüht, nicht aus der Rolle zu fallen. »Ich bin mit einer großen Lady ins Bett gegangen. Wenn das mein Verbrechen ist, muß ich mich schuldig bekennen.«
»Nur weiter.« Phyllis schloß die Augen.
»Ich habe Ihnen in jener Nacht viele Fragen über Hoover gestellt. Sie haben mir Antworten gegeben, mir Dinge gesagt, die ich nicht wußte. Ihre Intensität hat mich elektrisiert. Ihr Moralbegriff war tief verletzt worden, und Sie zeigten mir eine personifizierte Wut, die ich noch nie in irgend etwas aus Ihrer Feder gelesen hatte.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Das ist alles Teil meiner ungeschickten Erklärung. Ich war in Washington, um mir Hintergrundinformationen zu beschaffen; ein paar Tage später fing ich mit der Arbeit an. Ihre Wut hatte mich sehr beeindruckt. Außerdem war es die Wut einer Frau. Einer erfolgreichen Frau, die sich artikulieren konnte. Also war es doch ein ganz logischer Schritt, eine Variation jener Frau zu erfinden, jemanden, der dieselben Eigenschaften besaß. Das war es, was ich getan habe. Das ist meine Erklärung. Sie haben mir die Idee für die Person verschafft, aber Sie sind nicht diese Person. Sie ist nur eine Erfindung.«
»Haben Sie auch einen General erfunden, den man gestern in Arlington beerdigt hat?«
Kastler saß reglos und wie benommen. Ihre toten Augen starrten ihn in dem schwachen Licht an. »Nein, den habe ich nicht erfunden«, antwortete er mit leiser Stimme. »Wer hat Ihnen von ihm erzählt?«
»Das wissen Sie doch ganz sicher. Eine schreckliche, ausdruckslose, hohe Flüsterstimme am Telefon. Für etwas so Grundlegendes ist das erschreckend wirksam. Das wissen Sie doch ganz sicher.« Phyllis sprach langsam, mit großen Abständen zwischen den Worten, als hätte sie Angst davor, sie zu hören.
»Ich weiß nicht«, antwortete Peter, der es wirklich nicht wußte, der aber anfing zu begreifen, wie sich etwas Schreckliches ausbreitete. Er gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, vernünftig zu klingen, aber er wußte, daß seine Wut sichtbar war. »Ich glaube, das alles ist jetzt weit genug gegangen. Flüsterstimmen am Telefon.
Worte, die man auf Wände geschmiert hat! Häuser, in die man eingebrochen ist. Zerschnittene Tierkadaver! Genug!« Er stand auf und drehte sich herum. »Das wird jetzt aufhören.« Er sah, was er suchte: eine große Stehlampe auf dem Tisch. Er ging auf sie zu, schob die Hand unter den Schirm und zog an der Kette. Das Licht flammte
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