Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
Töten muß aufhören! Das Lügen muß aufhören!«
»Nach meiner Ansicht«, sagte St. Claire mit eisiger Stimme, »wird Alison MacAndrew sterben, wenn Sie das tun — noch bevor der Tag vorüber ist.«
Peters Muskeln spannten sich, dann trat er einen Schritt auf Bravo zu. Glas klirrte, als eine einzelne Fensterscheibe eingeschlagen wurde; die Pistole des Chauffeurs starrte ihn an.
»Gehen Sie nach Hause, Mr. Kastler. Tun Sie, was Sie tun müssen.«
Peter drehte sich um und rannte aus dem Zimmer.
Munro St. Claire öffnete die Glastür und trat auf die Veranda hinaus. Die Luft war kalt, der Wind von der Bucht hatte sich verstärkt. Der Himmel war jetzt dunkel. Es würde bald regnen.
Erstaunlich, dachte St. Claire. Selbst im Tod noch zog Varak an Fäden und bewegte Dinge. Er begriff, daß ihm nur noch eine Wahl blieb: Peter Kastler mußte an Varaks Stelle treten. Der Schriftsteller war jetzt der Provokateur. Er hatte keine Wahl, er mußte Banner, Paris, Venice und Christopher aufsuchen.
Kastler hatte gesagt, man habe ihn manipuliert. Was er nicht wußte, war, daß die Manipulation noch nicht aufgehört hatte. Jetzt kam es nur darauf an, den Schriftsteller sehr genau zu beobachten, jede seiner Bewegungen im Auge zu behalten, bis er sie zu dem führte, der die Archive besaß.
Am Ende würde es eine Tragödie geben, und man konnte sie ebensowenig wie die Ermordung J. Edgar Hoovers vermeiden. Zwei Menschen würden sterben. Der Verräter von Inver Brass und ohne Zweifel Peter Kastler.
Stefan Varak war bis zum letzten Atemzug ein Meister seines Faches gewesen. Mit Kastlers Tod würden sich alle Türen wieder schließen. Dann konnte man Inver Brass auflösen, ohne daß je jemand davon erfuhr.
33
»Sie wollen mir immer noch nicht sagen, wer es ist?« fragte O’Brien, der Peter am Küchentisch gegenüber saß. Jeder hatte ein halbleeres Whiskyglas vor sich stehen.
»Nein. Varak hatte recht. Er hat die Archive nicht.«
»Wissen Sie das so genau?«
»Wenn es anders wäre, würde ich jetzt nicht mehr leben.«
»Also gut. Ich will nicht länger in Sie dringen. Ich glaube zwar, daß Sie verrückt sind, aber ich frage Sie jetzt nicht mehr.«
Kastler lächelte. »Das würde Ihnen auch nichts nützen. Was haben Sie denn über Ihre vier Kandidaten in Erfahrung gebracht? Gibt es eine China-Verbindung? Irgendeine entfernte Möglichkeit? «
»Ja. Zwei kommen in Frage. Die zwei anderen sind vorwiegend negativ. Eine der Möglichkeiten ist ziemlich dramatisch. Ich würde sagen, dort handelt es sich nicht nur um eine Möglichkeit, sondern eine Wahrscheinlichkeit.«
»Wer ist das?«
»Jacob Dreyfus. Christopher.«
»Sprechen Sie weiter.«
»Geld. Er hat umfangreiche Finanzierungsprojekte für einige multinationale Gesellschaften arrangiert, die von Taiwan aus tätig sind.«
»Offen?«
»Ja. Nach außenhin hat er es so dargestellt, als wirkte er an der Errichtung einer konkurrenzfähigen Wirtschaftsstruktur auf Formosa mit. Er mußte sich mit ziemlichen Widerständen auseinandersetzen; die meisten Banken dachten, Taiwan würde fallen, aber Dreyfus gab nicht nach. Allem Anschein nach hatte er Zusicherungen von Eisenhower und Kennedy. Er hat sich mächtig ins Zeug gelegt und auf eigene Faust neue Industrien nach Taiwan gebracht.«
Peter hatte Zweifel. Das Ganze war zu offensichtlich. Ein Mann wie Dreyfus würde nicht so auffällig handeln. »Keine geheimen Aktivitäten? Keine versteckten Arrangements oder dergleichen? «
»Nichts, das wir finden konnten. Warum sind solche Arrangements notwendig? Das Geld spricht doch eine klare Sprache. Das ist es, was wir gesucht haben.«
»Wenn es wirklich nur um Geld ginge, ja. Aber davon bin ich noch nicht überzeugt. Wer kommt sonst noch in Frage?«
»Frederick Wells — Banner.«
»Und in welcher Beziehung steht er zu den Nationalchinesen?«
»Zu China, nicht notwendigerweise der chinesischen Regierung. Er ist sinophil. Sein Hobby ist die Frühgeschichte des Orients. Er besitzt eine der umfangreichsten chinesischen Kunstsammlungen in der ganzen Welt. Die meisten Stücke sind die ganze Zeit an Museen ausgeliehen.«
»Eine Kunstsammlung? Was hat das denn damit zu tun?«
»Ich weiß nicht. Wir suchen eine Verbindung. Das ist eine Verbindung. «
Kastler runzelte die Stirn. Eigentlich war Wells als Verdächtiger viel logischer als Dreyfus, überlegte er. Ein Mann, der sich eingehend für die Kultur einer Nation interessiert, würde sich viel leichter in irgendwelche
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