Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
Verputz platzte von Decken und Wänden. Und während Peter Alison fest an sich gedrückt hielt, wurde ihm klar, daß es sich um zwei oder drei Explosionen handeln mußte, so dicht hintereinander, daß man sie nicht voneinander unterscheiden konnte.
Nein, es waren vier Explosionen gewesen. An jeder Ecke des Hauses eine, von den vier Punkten aus, von denen die Scheinwerferbündel kamen. O’Brien hatte recht gehabt. Das Ganze war darauf abgestimmt gewesen, sie an die Fenster zu locken und dann Sprengkörper zu werfen. Wenn sie hinter den Fenstern gestanden hätten, dann wären sie von den scharfen Glassplittern zerfleischt worden, so wie vor so vielen Monaten auf dem Pennsylvania Turnpike. Die Ähnlichkeit war zu schmerzvoll. Selbst der heruntergefallene Verputz erinnerte ihn an den Schmutz und den Schlamm, in den sich überschlagenden Automobilen; nur daß die Frau in seinen Armen eine andere gewesen war.
»Kastler! Sind Sie verletzt? Antworten Sie doch!«
Das war Quinn, seine Stimme klang eindringlich, so als hätte er Schmerzen, sie kam von irgendwo unten. Peter konnte in der Ferne das Geräusch davonrasender Fahrzeuge hören.
»Ja.«
»Die sind jetzt weg.« O’Briens Stimme klang jetzt schwächer. »Wir müssen hier raus! Schnell!«
Peter kroch an den Rand der Treppe und griff nach dem Lichtschalter. Er knipste das Licht an. O’Brien stand über die unterste Stufe gebeugt, die Hand am Geländer. Er blickte zu Kastler auf.
Sein Gesicht war mit Blut bedeckt.
Kastler fuhr; Alison saß auf dem Rücksitz und hielt O’Brien in den Armen. Der FBI-Mann hatte Glassplitter im rechten Arm und der Schulter, und sein Gesicht und der Hals wiesen zahllose Schnittwunden auf, aber es waren keine gefährlichen Wunden, nur schmerzhaft waren sie.
»Ich glaube, wir sollten Sie nach Hause bringen«, sagte Peter, dessen Atem immer noch unruhig war, von der Angst beschleunigt. »Zu Ihrer Frau und Ihrem Hausarzt.«
»Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe«, erwiderte Quinn und unterdrückte seine Schmerzen. »Meine Frau glaubt, daß ich in Philadelphia bin. Mein Arzt würde Fragen stellen. Wir benutzen in solchen Fällen einen anderen Mann.«
»Ich glaube, Fragen sind jetzt angebracht!«
»Niemand würde die Antworten hören.«
»Das dürfen Sie nicht tun«, sagte Alison und wischte O’Briens Gesicht mit dem Taschentuch ab. »Peter hat recht.«
»Nein, das hat er nicht«, sagte Quinn und zuckte zusammen. »Wir sind jetzt diesen Archiven näher, als wir das je waren. Wir
müssen sie finden. Sie an uns bringen. Das ist die einzige Antwort für uns.«
»Warum?« fragte Peter.
»Das St. Michael’s ist verbotenes Territorium. Ein Anwesen im Wert von vier Millionen Dollar, an das keiner herankommt.«
»Sie sind herangekommen«, unterbrach Kastler.
»Seltsamerweise bin ich das nicht.« Quinn atmete hörbar ein. Der Schmerz ließ nach, und dann fuhr er fort: »Wenn das State Department oder das Bureau je herausfinden sollte, wie ich gelogen habe, oder was ich preisgegeben habe, steckt man mich zwanzig Jahre in ein Bundesgefängnis. Ich habe jeden einzelnen Eid verletzt, den ich je abgelegt habe.«
Peter spürte, wie ihn eine Welle von Zuneigung für den Mann überflutete. »Was ist geschehen?« fragte er.
»Ich habe Varaks Namen beim State Department gebraucht. Er war ein Spezialist für Überläufer, und ich wußte, wie man ein steriles Haus freibekommt. Das Bureau hat immer wieder einmal mit Überläufern zu tun. Ich sagte, es handle sich um eine gemeinsame Aktion, an der mein Büro und der Nationale Sicherheitsrat beteiligt seien. Varaks Name stellte sicher, daß mein Antrag genehmigt wurde. Mein Büro hätte man fragen können, Varak nicht.«
Kastler steuerte den Wagen durch eine lange Rechtskurve. Selbst im Tod noch war Varak in alles verstrickt. »War es nicht gefährlich, Varak zu benutzen? Er war doch tot. Man hat doch sicher bereits seine Leiche gefunden.«
»Aber man hat ihm schon vor Jahren die Fingerabdrücke weggebrannt. Ich vermute, daß er bei Zahnärzten immer falsche Namen benutzt hat. Bei den vielen Morden, die es in dieser Stadt gibt, all den Vorschriften, welche die Polizei befolgen muß, kann es gut eine Woche dauern, bis seine Identität bekannt ist.«
»Worauf wollen Sie hinaus? Sie haben Varaks Namen benutzt, um Zugang zu St. Michael’s zu bekommen. Und? Warum sind wir damit den Archiven nähergekommen?«
»Sie würden nie einen Rechtsanwalt abgeben. Wer auch immer es war, der uns heute nacht
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