Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
MacAndrews Frau zugespielt? «
»Das übliche. Truppenbewegungen, Nachschubrouten, Waffenkonzentration und taktische Operationen. In erster Linie natürlich Truppenbewegung und Taktik.«
»War sie diejenige, die die taktische Information bezüglich Chasŏng weiterleitete?«
Ramirez zögerte; seine Augen wanderten zum Boden. In der Reaktion des Brigadiers war etwas Künstliches, etwas Eingeübtes. »Ja«, sagte er widerstrebend.
»Aber jene Information war doch gar nicht falsch. Sie war nicht ungenau. Sie führte zu einem Massaker.«
»Niemand wußte, wie es geschah«, fuhr Ramirez fort. »Um das zu begreifen, müssen Sie zuerst wissen, wie diese umgedrehten Leitungen funktionieren. Wie man kompromittierte Leute wie MacAndrews Frau einsetzt. Man liefert ihnen keine offenkundigen Lügen; Fehlinformationen dieser Art würden abgelehnt werden, und damit würde man die betreffenden Personen verdächtigen. Man liefert ihnen Variationen der Wahrheit, subtile Änderungen des Möglichen. ›Das Sechste Pionierbataillon wird am
3. Juli den Sektor Baker betreten.‹ Nur daß es nicht die Sechsten Pioniere sind, sondern daß das Sechste Panzerbataillon den Sektor Baker am 5. Juli erreicht und damit den Feind in der Flanke trifft. Bei der Operation in Chasŏng hat man MacAndrews Frau überhaupt keine Variation geliefert. In ihrem Fall handelte es sich um die tatsächliche Strategie. Irgendwie sind die Befehle in G-Zwo durcheinander gebracht worden. Sie lieferte Informationen, die zu einem Massaker führten.« Der Soldat sah Peter in die Augen und richtete sich auf. »Jetzt kennen Sie die Wahrheit.«
»Kenne ich die?«
»Sie haben das Wort eines Generals.«
»Ich frage mich, ob es etwas wert ist.«
»Setzen Sie mich nicht unter Druck, Kastler. Ich habe Ihnen mehr erzählt, als Sie wissen dürften. Das habe ich getan, um Ihnen das Leid aufzuzeigen, das entsteht, wenn die Tragödie von Chasŏng an die Öffentlichkeit gerät. Man würde Tatsachen falsch interpretieren und die Erinnerung guter Leute durch den Schmutz ziehen.«
»Einen Augenblick«, unterbrach Peter. In seiner scheinheiligen Art hatte Ramirez es tatsächlich ausgesprochen. Die Erinnerungen von ... Alisons Erinnerungen. Die Eltern ihrer Mutter, die im Golf von Po Hai gefangengehalten wurden; das war die erste chinesische Verbindung, aber das war es gar nicht! Es war etwas, das Alison sagte, das sich nach der Nacht ereignet hatte, in der man ihre Mutter auf der Bahre ins Haus getragen hatte. Etwas, das ihren Vater betraf ... ihr Vater war zum vorletzten Mal nach Tokio geflogen. Das war es: das vorletzte Mal ! Zwischen dem letzten Zusammenbruch seiner Frau und seiner Rückkehr in die Staaten war MacAndrew nach Korea zurückgegangen! Damals hatte die Schlacht von Chasŏng stattgefunden. Wochen, nachdem man Alisons Mutter ins Krankenhaus eingeliefert hatte. Sie konnte gar keine Informationen übermittelt haben, ob nun richtig oder falsch.
»Was ist denn?« fragte der Brigadier.
»Sie. Verdammt noch mal, Sie ! Die Daten! Es könnte gar nicht so geschehen sein! Was haben Sie vor ein paar Minuten gesagt? Irgendein Bataillon wird am 3. Juli erwartet, kommt aber erst am 5. an, und außerdem handelt es sich um ein ganz anderes Bataillon. Wie haben Sie das genannt? So einen aufgeblasenen Satz ... ›Subtile Änderungen des Möglichen.‹ War es das nicht? Nun, General, jetzt sind Sie einen Schritt zu weit gegangen! Das Massaker von Chasŏng fand ein paar Wochen, nachdem MacAndrews
Frau ins Krankenhaus eingeliefert worden war, statt! Sie konnte diese Information an niemanden überbracht haben! Und jetzt, Sie Schweinehund, jetzt sagen Sie mir, was wirklich geschehen ist! Wenn Sie es nämlich nicht tun, werden wir gar nicht bis morgen warten. Dieser Brief, den ich nach New York geschickt habe, wird noch heute abend gelesen werden!«
Ramirez’ Augen bohrten sich in die seinen; sein Mund zuckte. » Nein!« brüllte er. »Das werden Sie nicht tun! Das können Sie nicht! Ich werde das nicht zulassen!«
Er griff nach der Waffe.
Kastler warf sich vor, warf sich auf den General. Seine Schulter krachte gegen Ramirez’ Rücken und trieb den Soldaten gegen die Mauer. Ramirez packte die Waffe am Lauf; er schlug zu. Der Kolben der Waffe traf Kastler an der Schläfe. Ihm war, als tanzten tausend weiße Sterne vor ihm.
Seine linke Hand krampfte sich in Ramirez Uniformrock, bauschte den Stoff an der Brust des Soldaten zusammen. Seine rechte Hand schoß vor und wieder zurück,
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