Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
sich um diese Zeit treffen?« Sutherland stand reglos da, und seine Stimme klang argwöhnisch.
»Eine Tankstelle in der Nähe von Salisbury; das soll ich bestätigen. Er wird verlangen, daß ich den Wagen beschreibe, den ich fahre. Ich glaube nicht, daß er sich zeigt, wenn er sieht, daß jemand neben mir im Wagen sitzt. Sie werden sich verstecken müssen.«
»Das ist kein Problem. Wie lautet der Code?« fragte der Richter. »Die genauen Worte.«
»Sie bedeuten nichts. Er las aus einer Zeitung.«
»Und wie lauten sie?«
»Der Senator hat in letzter Minute eine Abstimmung über die Verteidigungsausgaben verlangt.«
Kastler zuckte zusammen, und griff sich an die verletzte Schulter. Die Geste ließ den Code bedeutungslos werden. Es waren nur Worte, die willkürlich aus einem Zeitungsartikel gegriffen waren.
»Wir werden den Wagen des Botschafters benutzen«, sagte Sutherland schließlich. »Sie fahren die letzten paar Meilen. Bis dahin setzen Sie sich zu mir auf den Rücksitz. Zwei meiner Männer werden uns begleiten. Wenn Sie sich ans Steuer setzen, werden sie sich verbergen. Ich bin sicher, daß Sie mit uns kooperieren werden.«
»Ich erwarte ebenfalls Ihre Kooperation. Ich möchte, daß Ihr Mann Arundel verläßt. Ich möchte, daß man Alison nach Washington fährt. Brown kann das tun; Sie können ihn sich später holen. Wie weit ist es zum nächsten Telefon?«
»Es steht auf dem Tisch, Mr. Kastler. In ein paar Minuten.« Der Richter wandte sich dem muskulösen Neger zu seiner Linken zu und sprach leise in einer fremden Sprache zu ihm.
Es war die Sprache, die er an der Chesapeak Marina gehört hatte, die Sprache, in der der unbekannte seinen Todesschrei hinausgebrüllt hatte. Die Sprache, die Varak nicht verstanden hatte.
Der schlanke Neger nickte und eilte hinaus.
»Das Telefon wird wieder angeschlossen werden«, erklärte
Sutherland. »Die Drähte sind nicht abgeschnitten worden, nur auf einen Zwischenkreis geschaltet, damit die Leitung nicht unterbrochen war.« Der Richter hielt inne und fuhr dann fort: »Ich habe Aschanti gesprochen. Das war im 17. und 18. Jahrhundert die Sprache der afrikanischen Goldküste. Sie ist nicht leicht zu erlernen, es gibt keine ähnliche Sprache. Wir können überall miteinander sprechen, in jeder Umgebung; Anweisungen weitergeben und Befehle erteilen, ohne daß man uns versteht.«
Sutherland wandte sich den beiden Männern auf der anderen Seite des Raumes zu. Wieder sprach er die seltsam klingende Aschanti-Sprache. Die beiden Männer steckten die Waffen in den Gürtel und traten schnell neben St. Claires Leiche. Sie hoben sie auf und trugen sie hinaus.
Das Telefon klingelte einmal. »Jetzt funktioniert es wieder«, sagte Sutherland. »Rufen Sie O’Brien an. Unser Mann hört das Gespräch ab. Wenn Sie irgend etwas sagen, was er nicht akzeptieren kann, wird die Verbindung abgebrochen und die Frau getötet werden.«
Peter ging zu dem Telefon. St. Claires Blut klebte an der Wand. Er konnte es unter seinen Schuhsohlen spüren. Er nahm den Hörer ab. Er wählte die Nummer des Motels in Ocean City und verlangte bei der Zentrale die Südsuite. Das Telefon in dem Zimmer klingelte; das Warten war unerträglich; O’Brien war nicht da!
Dann hörte er ein Klicken und ein leises »ja?«
»Quinn?«
»Peter! Mein Gott, wo sind Sie? Ich habe ...«
»Dafür ist jetzt keine Zeit!« unterbrach ihn Kastler in völlig uncharakteristischem Ärger, in der Hoffnung, O’Brien würde in seinen Worten eine Botschaft suchen. »Sie haben einen gottverdammten Code verlangt, also sollen Sie ihn haben. ›Der Senator hat in letzter Minute eine Abstimmung über die Verteidigungsausgaben verlangt.‹ War er das nicht? Wenn nicht, dann stimmt er immerhin annähernd.«
»Was, zum Teufel ...?«
»Ich möchte mich sobald wie möglich mit Ihnen treffen!« Wieder kam die Unterbrechung unfreundlich, unhöflich, beinahe verächtlich. Sie paßte nicht zu ihm. »Es ist zwischen zwei und drei Uhr früh. Nach Ihrem Plan wäre das die Tankstelle an der Straße nach Salisbury. Ich fahre einen hellen Continental. Einen silberfarbenen Mark IV. Und kommen Sie allein!«
Am anderen Ende der Leitung herrschte kurzes Schweigen.
Peter starrte die blutdurchtränkte Tapete an und schloß die Augen. Er wandte das Gesicht von Sutherland ab. Als er Quinns Stimme hörte, hätte er am liebsten geweint, Tränen der Erleichterung. »In Ordnung«, sagte O’Brien, und seine Stimme klang ebenso feindselig wie die Kastlers.
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