Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
interessierte. Aber der Roman fraß ihn förmlich auf. Jeder Morgen war für ihn ein persönliches Abenteuer. Er hatte die Handlungszüge vervollkommnet, die Personen der Handlung hatten Leben gewonnen.
Er arbeitete am siebten Kapitel, in dem anständige Männer langsam anfingen, einen unanständigen Entschluß zu treffen: den Entschluß zum Mord. Die Tötung von J. Edgar Hoover.
Ehe er ein Kapitel schrieb, machte er sich stets ein Expose; anschließend legte er es zur Seite und warf nur noch selten einen Blick darauf. Es war eine Technik, die Anthony Morgan ihm vor Jahren empfohlen hatte:
Du mußt immer wissen, wohin du gehst, dir ein Ziel setzen, damit du nicht ins Treiben kommst. Aber kämpfe nicht gegen die natürliche Neigung zum Wandern an.
Es war seltsam mit Tony, dachte Kastler, während er sich über den Tisch beugte. Seit diesem unglaublichen Wahnsinn bei den Cloisters vor ein paar Wochen hatten sie sich einige Male unterhalten, aber Morgan hatte den Zwischenfall nie erwähnt. Es war, als wäre es nie geschehen.
Aber Morgan hatte die ersten hundert Seiten des Romans gelesen. Er sagte, Peter habe nie etwas Besseres geschrieben. Das war alles, worauf es ankam. Das Buch war alles.
Kapitel 7 — Exposé
Ein verregneter Nachmittag in einer Hotelsuite in Washington. Der Senator sitzt vor einem Fenster und sieht zu, wie der Regen gegen die Scheiben patscht. Seine Gedanken schweifen dreißig Jahre in die Vergangenheit, in seine Collegezeit. Damals fand jenes Ereignis statt, das ihn drei Jahrzehnte später, als es ans Licht kam, aus dem Rennen um die Präsidentschaft warf. Es war die Indiskretion, mit der Hoovers Bote ihn konfrontiert hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wie oder wann es geschehen war. Seine Gefühle waren ihm durchgegangen, waren wild und indiskret geworden. Aber da war es: seine jugendliche Unterschrift auf der Mitgliedskarte einer Organisation, die sich später als Teil des kommunistischen Apparates erwiesen hatte. Unschuldig natürlich; ohne Zweifel war das, was er getan hatte, zu verteidigen — eigentlich sogar lächerlich. Aber nicht, wenn es um die Präsidentschaft ging. Es reichte aus, ihn zu disqualifizieren. Das hätte es natürlich nicht, wenn seine augenblickliche politische Philosophie in Einklang mit der des Direktors des Federal Bureau of Investigation gewesen wäre.
Die Ankunft der Journalistin unterbricht den Gedankengang des Senators, die Kolumnistin, die Hoover ebenfalls zum Schweigen gebracht hat, und die jetzt Teil des Kerns ist. Der Senator steht auf und bietet ihr einen Drink an.
Die Frau erwidert, sie sei gar nicht hier, wenn sie akzeptieren könne. Sie erklärt, sie sei Alkoholikerin und habe seit fünf Jahren keinen Schluck mehr getrunken, sei aber vorher manchmal tagelang betrunken gewesen. Das war der Hebel, den Hoover bei ihr ansetzen konnte. Während einer dieser Perioden von Trunkenheit waren Fotografien gemacht worden.
»Am besten beschreibt man es als indezentes Verhalten mit verschiedenen, nicht besonders sympathischen Herrn. Aber ich kann mich wirklich nicht daran erinnern. Du lieber Gott, wie könnte ich auch?«
Hoover hat die Fotografien. Sie ist mit Erfolg zum Schweigen gebracht worden.
Das dritte Mitglied des Kerns trifft ein. Diese dritte Person ist das ehemalige Kabinettsmitglied, das im ersten Kapitel beschrieben wurde, und dessen Indiskretion in der Tatsache besteht, daß er homosexuell ist.
Er bringt eine erschreckende Nachricht. Hoover hat einen kurzzeitigen Pakt mit dem Weißen Haus geschlossen. Sämtliche namhaften Kandidaten der Opposition werden ausgeschaltet. Wo keine Fakten existieren, werden Unterstellungen unter dem Siegel des FBI eingesetzt. Der Name des Bureaus reicht aus, um bei Politikern Unheil anzurichten. Bis sich jemand verteidigen kann, ist der Schaden bereits angerichtet.
Die Opposition wird ihre schwächsten Kandidaten ins Feld schicken; die Wahl des gegenwärtigen Amtsinhabers ist gesichert. Der Vereinbarung liegt zugrunde, daß Hoover um nichts weniger gefährliche Waffen besitzt, die er gegen das Weiße Haus einsetzen kann. Im Wesen wird der Direktor bald sämtliche Angelpunkte und Hebel des Landes kontrollieren; er wird die wahre Macht ausüben.
»Er ist zu weit gegangen. Die Leichen türmen sich zu schnell auf. Man muß ihn entfernen, wie, ist mir gleichgültig. Selbst wenn das bedeutet, daß man ihn töten muß.«
Der Senator ist von den Worten des Kabinettmitgliedes erschüttert. Er weiß, was es bedeutet,
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