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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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gingen diese auch in muslimisch bevölkerten Stadtgegenden los – 56 Menschen starben, 700 wurden verletzt.
    Wie sehr der religiöse Zorn Liebe und Leben verdüstern kann, lässt sich zwei Wochen nach dem Attentat auf dem Gesicht des 19-jährigen Farraq ablesen. Der Teenager lungert vor der Finsbury-Park-Moschee herum, wo jahrelang der hakenarmige Hassprediger Abu Hamsa seinen Sermon abgab. Farraq lässt sich ungern vom Reporter ansprechen. Aus seinen dunklen Augen schießt Hass wie eine schwarze Flamme. Für ihn sind die U-Bahn-Attentäter Helden. Die USA und ihre Vasallen müssten vernichtet werden. Er trägt Kurzhaarfrisur, Nike-Turnschuhe und Bomberjacke und sieht keine Spur so aus, als würde er einen Bogen um die Modegeschäfte des Satans machen. Irgendwann, sagt er, werde er sich aus diesem Leben befreien und seinen Brüdern, wo immer sie seien, helfen. Der Prediger hatte seine antiamerikanischen und antibritischen Tiraden immer wieder mit Versen aus dem Koran gewürzt. Vom Paradies war die Rede und vom Verderben für die Ungläubigen.
    Die Pointe an der Geschichte des neuen Zorns ist, dass sie eine sehr alte ist. Und dass es in diesem Fall wohl Gott selbst ist, der sich der Todsünde Zorn schuldig macht. Der Philosoph Peter Sloterdijk weiß eine Therapie: »Die Zivilisierung der Monotheismen ist abgeschlossen, sobald die Menschen sich für gewisse Äußerungen ihres Gottes, die unglücklicherweise schriftlich festgehalten wurden, schämen wie für die Auftritte eines im Allgemeinen sehr netten, doch jähzornigen Großvaters, den man seit längerem nicht mehr ohne Begleitung in die Öffentlichkeit lässt.«
    Einen Anfang hat die römisch-katholische Kirche schon vor Jahrzehnten getan – sie strich die berüchtigten Fluch- und
Rachepsalmen (»O Gott, zerbrich ihnen die Zähne im Mund . . . «) aus dem Stundengebet, das den Tagesablauf von Priestern, Ordensbrüdern und Nonnen gliedern soll.
    Gula: Völlerei und Maßlosigkeit
    Einst bedeutete Sünde die Markierung zwischen Gut und Böse. Wer dagegen heute sagt »Ich habe gesündigt«, meint damit Pralinen und Eisbein mit Sauerkraut, und die Hölle, die ihn erwartet, besteht aus Sodbrennen. Vielleicht ein paar Pfunde zu viel, ein hoher Cholesterinspiegel. Bis auf den Herzinfarkt, der immer droht, ist die Sache ein absolutes Diesseitsproblem.
    Kann man trivialer über die sieben Todsünden reden als die Werbestrategen der Langnese-Marke »Magnum«, die vor einigen Jahren ihre Eissorten danach benannten? In einem solchen Milieu hat die Todsünde der Völlerei naturgemäß völlig abgewirtschaftet. Sie ist aus der Metaphysik in die Ernährungswissenschaften übergewechselt. Völlerei ist ein Problem, mit dem sich nicht die Seelsorge, sondern die Weltgesundheitsorganisation beschäftigt, übrigens vor einem moralisch prekären Hintergrund: Den 1,6 Milliarden Übergewichtigen in der Welt stehen eine Milliarde Hungernde gegenüber.
    Mittlerweile ist die christliche Tugend der Mäßigung, die der Völlerei stets gegenübergestellt wurde, wieder mächtig im Kurs. Diätberater und Fitnesskurse haben übernommen, was die Kirche einst dekretiert hat. Augustinus hört sich an wie ein moderner Arzt, wenn er sagt, der Zweck des Essens und Trinkens sei die Gesundheit.
    Die Bibel redigierte den Speiseplan des auserwählten Volkes mit ihren Koschergeboten bis ins Genaueste und bestrafte rigoros. Eine der Sünden in Sodom und Gomorrha war die Völlerei, die Sprüche Salomos warnen: »Sei nicht unter den Säufern und Schlemmern, denn die Säufer und Schlemmer verarmen, und ein Schläfer muss zerrissene Kleider tragen.« Auf den ersten
Blick rätselhaft, wie der Schläfer plötzlich ins Spiel kommt, aber das mit den zerrissenen Kleidern haut hin, wenn man sich die Bierleichen am Morgen nach der Wiesn in München oder dem Karneval in Köln ansieht.
    Nur in Verknüpfung mit der darauffolgenden Fastenzeit hat die Völlerei ihren Attraktionswert. Sie ist die von der Kirche sanktionierte Ausnahme von der Regel. Im Karneval wird das Schlaraffenland, das Schlemmerparadies, evoziert, in dem die gebratenen Tauben dem ins Maul fliegen, der es noch aufkriegt. Ein Land mit Zäunen aus Würsten, Fenstern aus Stören und Lachs, Ziegeln aus Fladen wird da erträumt. »Durch dieses Land«, so heißt es in einer mittelhochdeutschen Beschreibung, »strömt ein Fluss aus goldenem Wein und Bier. Jeder darf dort trinken, ohne zu zahlen, ob er Bier, Wein oder Most will.« Bis auf die Kostenfreiheit

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