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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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sonnenklar: der Mann in der roten Robe.
    Youngblood verachtet heiliges Getue, Frömmelei, Bigotterie. Er ist Sünder, alle sind Sünder. Er erzählt von dem Mädchen aus einer Nachbargemeinde, das ihr Neugeborenes in die Mülltonne gesteckt hat. Die News-Shows waren voll davon. »Sie war noch am Morgen in der Kirche«, ruft der Reverend. »Offensichtlich hatte sie niemanden in ihrer Gemeinde, an den sie sich wenden konnte in ihrer Not. Sie schämte sich. Wir alle haben sie auf dem Gewissen.« Nun sammeln sie Geld für ihre Verteidigung, das Baby ist bei der Großmutter in Obhut.
    Hier, im Ghetto-Gospel, hat Maria nicht jungfräulich empfangen. Hier war sie eine Teenagermutter, und Joe, ihr Mann, wurde angefeindet. Immerhin hat er zu ihr gehalten und zu seinem Sohn. »Söhne brauchen ihre Väter.«
    Youngblood weiß, wovon er spricht. Es hat lange gedauert, bis er seinen eigenen unehelichen Sohn anerkannt hat. Die verdammte Statistik sagt: Rund die Hälfte aller schwarzen Kinder wachsen ohne ihre Väter auf. Heute ist Youngbloods Sohn selber Priester – der Reverend hat die Weihe vorgenommen. »Ich habe von ihm mehr über Gott erfahren, als ich in meinem Priester-Seminar gelernt habe.« Und dann ruft er aus: »Väter brauchen erst recht ihre Söhne.«
    Zwei Stunden dauert dieser Gottesdienst. Er ist ein bewegendes Freudenfest im trostlosen East New York, ist Donnerhall und Soul-Musik und Gruppentherapie mit gestärkten weißen Kragen und Schleifen im Haar. Youngblood vergleicht ihn
anschließend drastisch mit einem Schweine-Wettbewerb. Alle machen sich schön für zwei Stunden – um anschließend wieder in den Schlamm zu marschieren. »Und meine Aufgabe ist es, gegen den Schlamm draußen vorzugehen.« Und dazu braucht es mehr als billige politische Hass-Rhetorik. Da hilft nur das positive Beispiel.
    In seinem Büro unter all den Urkunden, die er für seinen Kommune-Einsatz gesammelt hat, steht eine Büste des schwarzen Jesus. Das zumindest dachte er, als er sie gekauft hat. Dann erfuhr er, dass sie Othello darstelle. Doch für ihn erfüllt sie ihren Zweck. »Der schwarze Mann, so wie er in der Statistik auftaucht, ist vaterlos, sitzt im Gefängnis, ist eine vom Aussterben bedrohte Art. Ich predige den anderen Schwarzen, den schwarzen Jesus, das positive Rollenmodell.«
    Ona, die Achtzehnjährige, schlüpft zu ihm ins Büro. Sie ist schwanger. Sie will heiraten, doch der Junge will nicht. »Ich würde dich auch nicht heiraten«, scherzt Youngblood. »Mach erst mal die Schule zu Ende.« Immerhin komme sie zu ihm, seufzt Youngblood, als das Mädchen wieder gegangen ist. Er wird auch für sie einen Weg finden.
    Als ob er nicht auch seine eigene Hölle hätte. Seine Eltern liegen im Krankenhaus. Seine Schwester ist auf Drogen. Seine vier Neffen »vergeuden ihr Leben«. Die Gemeindemitglieder nutzen ihn als Seelsorger, aber auch als Mülleimer. Dieser Job habe eine »gewaltige Schmerzdimension«. Er hält ihn nur aus, wenn er die »Erfolge übertreibt und die Niederlagen verdrängt«.
    Die Erfolge des Reverend lassen sich in Metern messen: In einem über zehnjährigen Kampf hat er, Stück um Stück, die engere Nachbarschaft wiederauferstehen lassen. Wo früher Schnapsläden und Wettbüros waren, sind heute kleine Schneidereien, Frisiersalons, Lebensmittelgeschäfte.
    Niederlagen nimmt er nur als vorläufig hin. Die nächste Straßenecke haben sich die Dealer wieder zurückerobert. Auf seinem Marsch durch die Gemeinde kommt der Reverend an ihnen vorbei. Er grüßt sie lässig. »Ihr denkt, ihr könnt mit
mir umspringen, wie ihr wollt«, murmelt er dann leise. »Fuck you – nächste Woche seid ihr dran.« Er hat seine Hilfstruppen schon organisiert.
    Auf die gedrillten Stadtsoldaten von Farrakhans Nation of Islam, die Erfolge im Kampf gegen die Drogenpusher haben, will er nicht zurückgreifen. Er würde sein Gesicht verlieren, er und sein Gott. Warum, würden die Leute fragen, ist der Gott der Islam-Leute stärker als deiner, Reverend? In East New York ist auch Religion eine Macho-Übung.
    Dabei hat er für die »Nation« durchaus Sympathie. Sie gebe den Schwarzen Respekt, Selbstliebe. Auch wenn er die antisemitischen Ausfälle der Gruppe für »wenig nützlich« hält – er bekämpft die »Nation« nicht aus ideologischen, sondern theologischen Gründen. Sie haben das Christentum verlassen wie ein sinkendes Schiff, weil dessen Gott ein weißer Gott sei. »Sie sind die wahren Feiglinge – ich dagegen bin der, der

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