Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
Angeles sind abgewählt worden, die Städte sind wieder in weißer, konservativer Hand. Da gehört einem Herausforderer von der Straße, einem wie Sharpton, die Zukunft.
    Bullig steht er da, im schwarzen Anzug mit Silberkrawatte, die braungrauen Locken tief überm Kragen. Seine Augen sind aufgerissen, als sei er ein Zauberer, der über die eigenen Tricks am meisten staunt. Gegenüber durchsuchen Polizisten
ein Abbruchhaus. Die Versammelten sind wütend. Am Vortag war in einem Nachbarrevier das »Dreckige Dutzend« verhaftet worden – zwölf überwiegend weiße Polizisten, die mit Drogen handelten, Schutzgelder erpressten, stahlen und mordeten.
    Ein Kommentar darüber, geschrieben von einem schwarzen Reporter, soll von der Daily News unterdrückt worden sein. Braucht es noch mehr Beweise, dass Staatsmacht und Medien ein korruptes, rassistisches Kartell bilden, eine Verschwörung zur Ausrottung der Schwarzen?
    Hier, doch nicht nur hier, ist Sharpton die neue Heilsfigur. Vergessen ist der Skandal um das schwarze Mädchen Tawana Brawley, das behauptete, von Weißen vergewaltigt worden zu sein. Sharpton hatte die Hitze hochgedreht, die Volksseele kochte. Später stellte sich die Geschichte als Lüge heraus.
    Vergessen auch Sharptons Kontakte zum organisierten Verbrechen, oder die Anklagen wegen Veruntreuung von Spendengeldern. In den Hinterzimmern des National African American Committee (NAAC) ist Sharpton respektabel geworden. Dass er gleichzeitig von den Fanatikern der Nation of Islam unterstützt wird, gilt Washingtons schwarzen Führern nicht länger als kompromittierender Nachteil, sondern als Beweis für seine Integrationskraft.
    »Er ist der einzige schwarze Politiker, der nicht gekauft ist«, sagt ein Mann mit afrikanischer Tracht, der wie die übrigen immer wieder aufspringt und rhythmisch klatscht. Diesen Magnetismus hat derzeit kaum ein anderer schwarzer Politiker.
    An diesem Morgen sammelt Sharpton Geld für seine Reise nach Südafrika. Er will, so sagt er, die Wahlen dort beobachten, die ersten freien Wahlen in Südafrika. Will die Befreiung »seiner Brüder« erleben. »Während des Golfkrieges eilte Dinkins sofort nach Israel«, donnert er und nimmt den antisemitischen Unterton seines Arguments billigend in Kauf, »aber nach Südafrika macht sich keine offizielle Delegation auf.« Eine Schande!
    Sharpton will ein Zeichen setzen und, ganz nebenbei, die internationale Bühne testen. Der Mann, den er in dieser Wahl
herausfordert, Senator Patrick Moynahan, fährt nicht. Womit wohl klar ist, wer hier ein Rassist ist.
    Sharptons Polit-Dramaturgie parodiert an diesem Morgen die eines Baptistengottesdienstes. Der Brandpredigt folgt eine Art Taufbekenntnis – das politische Kampfgelübde, der Beitritt zum Bund. Jeder, der seinem »Action Committee« angehören möchte, darf nach vorne kommen und ihm feierlich die Hand drücken. Die Aufnahmegebühr von 25 Dollar ist möglichst sofort zu entrichten. Folgt die Opferrunde: Rund 2000 Dollar kommen in einem braunen Karton an Spenden zusammen.
    Anschließend dürfen schwarze Schülerinnen, angehende Journalistinnen, Sharpton befragen. Für einen Moment lässt er die Agitations-Rhetorik fallen, als streife er ein Kostüm ab. Hervor tritt ein überraschend besonnener Familienvater, der weiß, dass nicht jeder verantwortungslose Teenager nur Opfer des Rassistenstaates ist – manchen gehört einfach der Hintern versohlt. Draußen – das war die Show für die Medien, für die Klientel. Hier drinnen ist er verwandelt. Er würde, das sagt er klipp und klar, Rap-Musiker und ihre Firmen boykottieren. Die seien ein trauriges Zeichen für den Verfall. Früher war Martin Luther King ein Vorbild. »Heute ist es Snoop Dogg – das ist doch entsetzlich.« Er würde auch die Herstellung von Waffen verbieten. »Es gibt 290 Millionen Waffen in den Straßen, ein Wahnsinn.«
    Die jungen Journalistinnen sind aufgeregt, aber nicht auf den Mund gefallen. Wen er eigentlich meine, wenn er »wir« sage? Nur die Schwarzen? Und welche? Sharpton ist irritiert. »Das kommt immer darauf an, wo ich gerade spreche.« Manchmal meine er die Schwarzen. Manchmal alle Progressiven, auch die weißen. »Immer aber – die Entrechteten.«
    Als die Mädchen gegangen sind und Sharpton mit einem kurzen, zufriedenen Blick die Kollekte überflogen hat, lehnt er sich zurück wie einer, der seine Mitte längst gefunden hat. Nun ist er Sharpton, der Taktiker. Nicht er habe sich verändert, sagt er, sondern die

Weitere Kostenlose Bücher