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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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durchgehalten hat und der ändert, was zu ändern ist.«
    Er hält durch, Tag für Tag. Und sein zäher Kleinkampf summiert sich in einem schließlich doch spektakulären Erfolg: dem »Nehemia«-Projekt. Mit verbilligten Krediten und Bauhilfen hat der Reverend in den vergangenen zehn Jahren rund 2300 kleine Ziegelstein-Häuser entstehen lassen, hat Straßenzug um Straßenzug für seine stets wachsende Gemeinde erkämpft. Heute hat sich ein kleiner schwarzer Mittelstand dort neu etabliert, wo früher Mietskasernen standen und Abbruchhäuser, in denen Drogensüchtige dämmerten und Wohlfahrtsempfänger apathisch auf den nächsten Scheck warteten. Wenn Gott Wunder tut, dann hat er sie hier mit Hilfe des Reverend vollbracht: Inseln der Würde und Wärme in einer Nachbarschaft, die bisweilen aussieht wie ein zerbombter Planet.
    Wenn der Reverend durch »Nehemia« fährt, wenn er Charles, den ghanaischen Kaufmann, besucht oder bei Rita, der Bankangestellten, in den Kochtopf schaut, wenn er die herausgeputzten Häuschen sieht und die Vorgärten, die seine Klienten sich anlegen, dann spürt er vor allem eines: Stolz, wahnsinnigen
Stolz, auf seine Gemeinde, auf sich, ja, auf die schwarze Rasse. Und dieser Stolz lässt ihn durchhalten.
    Und dann ist Reverend Youngblood stolz darauf, Amerikaner zu sein. Dabei glaubt auch er, dass es eine Verschwörung gegen die Schwarzen gebe, in der Aids und Drogen und Waffen den Genozid herbeiführen sollen. All diese Gefühle, Stolz und Wut und manchmal auch Paranoia, haben gleichzeitig Platz in seiner Brust.
    Er hält es mit Martin Luther King – Amerika, ein wundervolles Land voller Verheißungen, bis auf den einzigen Scheck, der nie gedeckt war: das Versprechen der Menschenwürde auch für Schwarze. »Als diese Nation Martin Luther King getötet hat«, sagt er leise, »hat sie die eigene Seele getötet.« Doch irgendwann, da ist er sicher, wird Amerika aufwachen. »Hoffentlich ist es dann nicht zu spät.«
    Bis es so weit ist, wird er seinen Gemeindemitgliedern beibringen, Häuser zu bauen, statt zu jammern. Hilfe zur Selbsthilfe – das ist nicht nur der American way of life. »Jesus möchte Männer, keine Waschlappen.«

Tanzt Gott Samba?
    Über den Katholizismus in Lateinamerika
     
     
     
    Der Tag, an dem ich die Jungfrau Maria stahl, war heiter und warm, und unter dem ewig blauen Himmel sangen die Vögel zur Ehre Gottes. Die Messe war aus, soeben hatte der Pfarrer in unserer kleinen Kirche Nossa Senhora da Luz auf der Anhöhe über der Favela den Schlusssegen gesprochen, und ich nahm den Weg zur Sakristei. Dort standen mehrere Madonnen. Ich griff nach der falschen, wie sich herausstellte.
    Diejenige, die zur Woche der Marienverehrung durch die Haushalte gereicht werden sollte – nach einem sorgfältigen Plan, auf dem man sich einzutragen hatte –, war kleiner und leichter und zugegebenermaßen weniger schön. Ich stand an erster Stelle und sollte mir die Madonna in der Sakristei abholen, die allerdings menschenleer war, als ich kam.
    Meine Madonna hatte ein ziemliches Gewicht. Sie war groß wie ein Baby. Als ich sie nach Hause brachte, staunten alle, die Köchin, der Sicherheitsmann, der Rest der Familie. Wir stellten sie auf einen Ehrenplatz in eine erleuchtete Muschelnische im Esssalon. Die Inka-Keramik-Göttin aus Peru musste dafür weichen.
    Kurze Zeit darauf jedoch kamen zwei Schwestern aus der Gemeinde vorgefahren. Sie waren verlegen. Sie sagten, ich sei beobachtet worden, wie ich die Gemeinde-Madonna in mein Auto verfrachtet hätte. Ihnen war das peinlich, mir war es peinlich. Die werden sich gedacht haben, da geht dieser Kerl Sonntag für Sonntag in die Kirche und tut unschuldig, und plötzlich stiehlt er unsere Mutter Gottes. Was ist das denn für ein Typ!

    Nachdem ich das Missverständnis aufgeklärt hatte, »Ein Versehen, Senhoras!«, strahlten sie erleichtert, wir beteten noch ein Ave Maria vor der erleuchteten Nische, dann durfte die Inka-Göttin zurück an ihren Platz.
    Unsere Kirche war klein, umstanden von Palmen und Blumen, betreut von Schwestern eines nahen Stiftes, das auch eine Mädchenschule unterhielt. Mein Sohn ging hier zur Erstkommunion. Wir sammelten Weihnachten für die Favela am Fuße des Hügels, Maniok und Schulhefte und Reis. Mit Geldüberweisungen kam man hier nicht weiter. Gemeindeleben hieß tätige Mithilfe.
    Die Gottesdienste setzten Gefühle frei, das in erster Linie, Trauer und Freude und Verzweiflung und Jubel. Heiratsversprechen wurden

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