Das katholische Abenteuer - eine Provokation
geglaubten Schriftsteller Robert Lowry auf – mein Freund, der (mittlerweile leider verstorbene) Fotograf Michael Montfort, hatte mir den entscheidenden Tipp gegeben. Lowry war in den 50er Jahren das ruhmüberglänzte junge Genie der amerikanischen Ostküsten-Intelligenz und wurde oft in einem Atemzug mit Hemingway genannt. Nun war er vollständig vergessen.
Nachdem mein Artikel erschienen war, wurden seine Bücher tatsächlich zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt und veröffentlicht – und über diesen Umweg wurde er auch in der amerikanischen Literaturszene wiederentdeckt. Seine Heimat erinnerte sich eines ihrer großen Poeten. So erhaschte Lowry noch einmal, kurz vor seinem Tode, einen Strahl dessen, was man Ruhm nennt.
Der Umgang mit Lowry war nicht einfach. Prominente auf dem Zenit ihres Ruhmes zu interviewen kann allerdings noch komplizierter sein, insbesondere, wenn man selber heimlicher Fan ist. Dann sitzt man weniger den Berühmtheiten gegenüber als sich selber, das heißt: all den Träumen und Sehnsüchten und übermenschlichen Qualitäten, die man ihm, dem Star, zuvor angedichtet hat.
So ging es mir, als ich, noch junger Reporter, vor rund einem Vierteljahrhundert Mick Jagger interviewte, tatsächlich ein Jugendidol. Während sich meine Kollegin um pragmatische Dinge kümmerte – sie klaute sein Rasierwasser, um es ihrem Freund zu schenken –, war ich in erster Linie mit meiner eigenen Faszination beschäftigt.
Mick Jagger war aus Fleisch und Blut und reichte mir nur bis zur Schulter. Ja, er war KLEIN, wo ich ihn mir immer zwei
Meter groß vorgestellt hatte. Und er sprach wie ein ganz normaler Mensch über Bücher, die er las, und seine Konzerte und ich bekam nichts davon mit, denn ich war nur mit drei Dingen beschäftigt:
1.) Wahnsinn, du redest mit Mick Jagger!
2.) Wie ist es wohl, Mick Jagger zu sein?
3.) Warum hast du dir nicht selber sein Rasierwasser unter den Nagel gerissen?
Ich gebe zu: Ich bin anfällig für Idole, und jene Nacht, in der Muhammed Ali George Foreman in Kinshasa auf die Bretter schickte, hatte ich als persönlichen Triumph erlebt.
Doch im Laufe der Jahre wird man misstrauischer gegenüber den eigenen Leidenschaften. Man durchschaut sich selber ein bisschen mehr und gleichzeitig die Idole, und es ist einfach ab und zu erholsam, sich in spöttischer Distanz zu ihnen aufzuhalten.
Es ist tatsächlich bisweilen unmöglich, über die Industrie der Idole, über Ruhmsucht und Votiv-Kitsch anders als satirisch zu schreiben. Natürlich ist es komisch, wenn die SPD Marlene Dietrich ehrt, indem sie sie zu einer Art Rosa Luxemburg uminterpretiert. Das Geschäft mit dem Ruhm ist komisch. Doch nicht alle spielen die Rolle des Berühmten so ironisch und anregend wie der Maler-Star Lüpertz. Viele sind einfach manipulativ und leer. Und anderen hängt das PR-Spiel, das den Verkauf ankurbeln soll, mittlerweile zum Halse raus.
Da war dieses Gespräch, das ich mit Jeremy Irons anlässlich eines neuen Films zu führen hatte. Jeremy Irons ist auf interessante Zwielicht-Rollen spezialisiert. Er war zuvorkommend, liebenswürdig und absolut gleichgültig. Ich teilte seine Gleichgültigkeit, und ich konnte ihm ansehen, wie sehr er mir meine Langeweile ansah, und er versuchte, mir darüber und seine eigene Interesselosigkeit mit Tee und Gebäck hinwegzuhelfen. Es nützte nichts. Wahrscheinlich hatte ich nicht damit gerechnet, auf einen Star zu treffen, der so gelangweilt von diesem PR-Setting war wie ich selber. Plötzlich mussten wir beide
darüber lachen. Und dann wurde es doch noch eine muntere Angelegenheit.
Politische Berühmtheiten bewegen sich in einem völlig anderen journalistischen Spannungsfeld. Sie sind gewählt, sie sind rechenschaftspflichtig, und hier üben Journalisten demokratische Kontrollfunktionen aus. Ich habe selten einen gleichzeitig pompöseren und unsichereren Menschen getroffen als Helmut Kohl, den ich wegen seiner politischen Geschicklichkeit in den Tagen der Wiedervereinigung durchaus respektierte. Ich nahm eine zutiefst provinzielle Brutalität an ihm wahr, die ich so nie vermutet hätte – einer, der Kritiker erschlägt, statt mit ihnen zu diskutieren, eine autistische Haltung, die schließlich zur größten Wahlschlappe in der Geschichte der CDU geführt hat.
Eine der wertvollsten Begegnungen aber hatte ich mit diesem merkwürdigen Professor in den kolumbianischen Llanas, der mitten im Bürgerkriegsgebiet eine pazifistische Ökokommune gründete – Paolo
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