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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Jagger?« »Mick Jagger«, sagte ich, ohne zu zögern. Melancholisch
sagte er: »Ich auch.« Das ist die nächste Lektion für den Umgang mit Ruhm: Es gibt keinen Berühmten, der nicht davon träumte, noch berühmter zu sein.
    Vielleicht aber ahnte Harold damals auch schon, dass er bald sterben würde. Der Wunsch nach Ruhm scheint nicht zuletzt mit der Angst vor dem Tod zusammenzuhängen. Wer berühmt ist, stirbt nicht, sondern er bleibt, und zwar über die Grenze seiner Sterblichkeit hinaus. Das ist der Ruhm, den Brodkey erstrebte und den er sich mit seinen Büchern erwarb. Nun aber gibt es, im Medienzeitalter, die Verfallsform von Ruhm – die schiere Bekanntheit.
    Natürlich wäre es schön, für irgendetwas Seriöses berühmt zu sein, etwas, das die Menschheit weiterbringt, also Entdeckungen, Kunstwerke, Heldentaten. Es gibt keine euphorischeren, keine schöneren Schlussworte in einer Tragödie als die, die Kleist seinem Prinzen von Homburg in den Mund legte, ihm, der sein Leben der Staatsräson opfert und der kurz vor der Hinrichtung ausruft: »Nun, oh Unsterblichkeit, bist Du ganz mein.«
    Aber da dieser Lebenseinsatz mühselig ist, tun es in unseren Zeiten auch die fünf Minuten, in denen man sich als Saalkandidat einer Spieleshow mit grünem Glibberzeug begießen lässt. Es ist anzunehmen, dass besagter Kellner dem siegreichen Kandidaten der Samstagabend-Show sein Schnitzel mit der gleichen hingebungsvollen Wiedererkennungsfreude servieren wird, die er einem Nobelpreisträger schenken würde. Ach was, er würde sich noch die Speisekarte signieren lassen. Vom Saalkandidaten.
    Wo es aber um schiere Bekanntheit geht, sind Journalisten die wesentlichen Mitspieler. Sie sind Meldegänger zwischen den Berühmten und den Sterblichen, zwischen Star und Publikum. Sie haben mit ihren Kritiken und Porträts und Homestorys den Star oft erst zu dem gemacht, was er ist: Star. Gleichzeitig leben sie von diesem Rummel, denn je begehrter der Star ist, desto begehrter die Geschichten über ihn. Und so pflegen sich besonders die Journalisten der bunten Blätter zu revanchieren für den Zugang, den sie zum Star haben, mit weiteren Meldungen und
Schlagzeilen, was wiederum die Berühmtheit noch berühmter macht, in einer schönen, endlosen, sich selbst befeuernden Spirale der Ruhmsteigerung.
    Natürlich fühlt sich kein Journalist, der etwas auf sich hält, so richtig wohl dabei. Er will mehr sein als nur der Herold, und wenn er schon auf dem Triumphwagen des Stars in die Menge rollt, dann doch lieber als derjenige, der hinter ihm steht und ihm zuflüstert: »Bedenke, dass du sterblich bist.« Oder, in der modernen Übersetzung: »Nimm dich nicht so wichtig, du Idiot. Wer, denkst du, bist du eigentlich?« Er hat zwei Aufträge gleichzeitig zu erfüllen, die sich im Grunde genommen widersprechen.
    Als ich mich in der Woche nach dem tödlichen Autounfall Lady Dianas mit ein paar trockeneren Bemerkungen in die Trauer-Hysterie einmischte, erhielt ich den Anruf einer Bild- Zeitungs-Kollegin, die sich bei mir bedankte – ihr hing der aberwitzige vergötternde Todeskult um die Jet-Set-Prinzessin genauso zum Halse raus wie vielen anderen Kollegen, aber sie musste liefern, was das Publikum verlangte, nämlich: eine weitere Hagiographie.
    Das Diana-Fieber ist längst abgeklungen – man erinnert sich heute daran wie an einen merkwürdigen intellektuellen Schwächeanfall. Doch in den Wochen nach ihrem Tod zeigte sich, dass die Medien durchaus die Qualität von Virenschleudern besitzen – sie können epidemisch Hysterien befördern und mit ihren Narrationen und Heiligenlegenden und Vergötterungen das globale Dorf anstecken. Die amerikanische Autorin Elaine Showalter hat für diese merkwürdigen Erregungswellen und Reizketten den treffenden Begriff »Hystorien« gefunden.
    Natürlich sollte man solchen Hystorien entgegenwirken. Nichts gegen Liebeserklärungen, aber alles gegen Jet-Set-Kitsch. Und die meisten meiner Kollegen sind der gleichen Meinung, und das aus einem ganz einfachen Grunde: Sie sind ganz gewöhnliche Menschen mit demokratischen Reflexen, in die sich sicher auch Neid als urmenschlicher Trieb mischen kann.
Sie machen die, die groß sind, ein bisschen kleiner, und die, die unten sind, werten sie auf. Sie versuchen auf diese Weise die Welt wieder zu reparieren und ein Stück Gerechtigkeit herzustellen.
    Manchmal geht es dabei buchstäblich um poetische Gerechtigkeit: In einem Irrenhaus in Cincinnati stöberte ich den verschollen

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