Das katholische Abenteuer - eine Provokation
prima, wie der Staat eingreift«, sagt eine resolute Dame, und dann ein tiefer Rückgriff in die Weltgeschichte. »Das Reich der Mitte ist nur deshalb untergegangen, weil der Staat zu schwach war.« China hat aus seinen Fehlern gelernt. Starker Staat, starker Kapitalismus, das ist das Erfolgsrezept der Zukunft. »Dass Rusland jetzt Island rettet, und zwar ausgerechnet mit Geld, das ist doch zum Piepen«, ganz besonders hier, im deutschen Teil des ehemaligen Ostblocks. Die Gruppe nickt und lacht.
Und wie wäre es mit einem funktionierenden Sozialismus? »Auf keinen Fall«, sagt Ilona Kaiser, die Marketing-Chefin und Touristenführerin. »Hat ja ganz offensichtlich nicht geklappt, haben wir ja alle mitgekriegt.« Frau Kaiser war früher Winzerin in einer LPG. Parteimitglied, weil man nur dann in Führungspositionen kam, wenn man in diesem Verein war. Nun gut, ein wenig war sie auch aus Überzeugung mit dabei. Zumindest so überzeugt, dass sie 1986 auf eine Westreise nach Hamburg durfte. Dort sah sie vor dem Hauptbahnhof eine Bettlerin und berichtete davon ihren Freundinnen zu Hause. Die wollten es nicht glauben, eine Bettlerin im reichen Westen. Die hielten Bettlerinnen vor Westbahnhöfen immer für DDR-Propaganda, so sehr haben sie den kapitalistischen Westen bewundert, heimlich.
Die Finanzkrise macht ihr keine Angst.
»Jetzt bloß kein Griesgram«, sagt Frau Kaiser. »Was wollen wir denn machen? Etwa zurück zum Kommunismus, wo keiner mehr arbeitet?« Das geht ja wohl nicht.
Alles Psychologie. Man könnte auch Glauben sagen. Deshalb, ausgerechnet aus Sachsen-Anhalt: Krise? Was für eine Krise? Prost Deutschland!
GLAUBENSSCHLACHTEN
Ausweitung der Kampfzone
Der Nahe Osten bei uns: Über Moslems und Sarrazin, Bundespräsident Wulff als Nathan, die Scharia in Mönchengladbach und die liberalen Feuilletons
Mit allergrößter Verblüffung erleben wir, wie uns der islamistische Fundamentalismus die Frage nach unserer eigenen religiösen Identität neu zuspielt. Unsere Antworten sind widersprüchlich und ratlos, aber das hat mit der Intensität der Frage zu tun.
Nach der Mitternachtsmesse am Silvesterfest 2010 explodiert eine Autobombe vor einer christlich-koptischen Kirche im ägyptischen Alexandria und reißt 21 Menschen in den Tod. Es ist nur eine kleine Hassbekundung von vielen in einem langjährigen Krieg, der aus Terror, Vertreibung und Diskriminierung besteht. Es ist ein Religionskrieg. Es ist der Krieg des fundamentalistischen Islam gegen das Christentum.
Dieser Krieg begann mit den Anschlägen auf die Wolkenkratzer des World Trade Center, die Türme der Gottlosen in den USA. Er setzte sich fort mit Anschlägen auf Züge in Madrid, Busse in London, eine Diskothek in Bali, gegen Zivilisten, die stellvertretend für ein System, für eine Religion, für eine Ideologie gemordet werden. Jetzt ist er zurückgekehrt an den Ursprung, in den Nahen Osten.
Für die Christen des Orients ist das vergangene Jahrzehnt eine Tragödie gewesen. Vor hundert Jahren bestand die Bevölkerung zwischen Mittelmeer und Zweistromland zu einem Fünftel aus Christen. Heute sind es nur noch rund fünf Prozent. Dramatisch ist die Lage im Irak. Einst lebten hier über eine Million Christen. Mittlerweile ist die Hälfte von ihnen außer Landes geflohen. »Einen vergleichbaren Exodus«, so schreibt die FAZ, »hatte es womöglich nicht einmal während der islamischen
Eroberungswellen in Mesopotamien im Mittelalter gegeben.«
Doch auch im Sudan, in Algerien und in Pakistan, in Indonesien oder Nigeria werden unter Christen Blutbäder angerichtet. Was die Lage der Kopten in Ägypten angeht, ist die Situation besonders tragisch, denn die Religionsgemeinschaft, deren Gründer der Evangelist und Märtyrer Markus gewesen sein soll und die nun von den Dschihadisten gejagt wird, hat bereits ein halbes Jahrtausend vor der islamischen Eroberung hier gelebt und gebetet und gearbeitet.
Die Bundesregierung beeilte sich gleich nach dem Attentat, nicht etwa zu protestieren, sondern dem korrupten, kurz darauf in die Knie gehenden ägyptischen Regime zu bescheinigen, dass es wohl alles in seinen Kräften getan habe, um die koptischen Christen zu schützen. Auf die seit langem drangsalierten Christen, die prompt in Kairo auf die Straße gingen, muss das wie der blanke Hohn gewirkt haben. Sie wehrten sich, auch gegen ein gleichgültiges Regime, das sie dem islamistischen Mob überlassen hatte.
Übrigens ließ auch die übrige Weltgemeinschaft
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