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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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ungesicherte Erklärungen, Formulierungen wie Stoßtrupps in unerforschtes Gelände, das Gespräch über den Glauben verläuft tastend, innig, das übers Geld nicht minder. Wer auf Geld baut, sagt der Papst an diesem Tag, hat auf Sand gebaut.
    Ich sage: Na bitte, wie recht er hat, der Papst. Walser sagt: Dieser religiöse Triumph sei zu billig.
    Walser spielt an diesem Abend den Apologeten des Kapitals, ach was: dessen Erotomanen. Sein grandioser Finanzmakler-Roman Angstblüte spricht von der »wundersamen Vermehrung des Geldes« in fast religiöser Verzückung. Und er genießt die Provokation und die Poesie, die damit verbunden sind. Geld ist Sünde, sicher, aber was für eine tolle!
    Bankenchef Heinrich Haasis sitzt nicht im Publikum. Er stößt erst später beim Dinner wieder zur Gruppe. Es sind die Stunden der Krisenprogramme und der heißen Interventionen. In den vorangegangenen siebzig Minuten hatte er ein paar Stockwerke höher die Anteile am Rettungspaket für die HRE-Bank verteilt, insgesamt 600 Millionen, in einer Konferenz mit anderen Landesbankern.
    Haasis hat die Chose kommen sehen, dem Späth hat er es schon vor drei Jahren gesagt, aber wer hört schon auf vorsichtige Sparkassenmenschen, wenn die Bullen-Herde in Bewegung
ist. Sparkassenmenschen galten als Lachnummer. Jetzt ist seine Sparkasse die attraktivste Adresse der Republik, »ein feste Burg«, wie es in dem frommen Lied heißt, und für Kleinsparer so trostvoll wie ein Kirchenschiff.
    An diesem Abend klingt er, der einstige CDU-Abgeordnete, wie Lafontaine. Aber eigentlich klingen seit geraumer Zeit alle wie Lafontaine. Wer in der Bundestagsaussprache die beste Figur gemacht habe? Haasis’ sprühende, gutgelaunte Frau sagt ohne zu zögern: »Lafontaine.«
    Ein paar Querstraßen weiter im Osten auch ein langer Tisch mit Experten, allerdings nicht bei Jakobsmuscheln und Weißwein, sondern Bier und Bockwurst. Es ist die Internet-Guerilla von der »ZIA«, der Zenralen Intelligenz Agentur, die hier gegenüber von Kaminers »Russendisko« tagt.
    Gerade hatte die Autorin Kathrin Passig ihr Buch über die Wichtigkeit des Prokrastinierens vorgestellt, Titel Wie man Dinge geregelt kriegt ohne einen Funken Selbstdisziplin. Es ist ein stimulierendes Guerilla-Buch für den kapitalistischen Dschungel, man hat den Eindruck: Hier gelingt der Brückenschlag zwischen Anpassung und Verweigerung, zwischen System und Anarchie, zwischen Woodstock und Generation Praktikum. Insgesamt: eine Möglichkeit, im Kapitalismus zu leben, ohne an der Seele krank zu werden.
    Literaturexperten und Kulturwissenschaftler, die geläufig über den Rohstoffmarkt und die Hypothekenkrise palavern, und Holm Friebe, einer der Köpfe, erklärt, wie wichtig so ein »black swan«, ein unvorhersehbarer Einbruch sei: »Er lehrt uns Demut vor der Zukunft.« Das klingt verdammt groß für einen, der knapp dreißig ist. Wir können nichts wissen, sagt uns die Krise.

    »Vielleicht wird der Kunstmarkt zusammenkrachen«, meint Constanze leichthin, »aber der Kunst tut so eine Krise sicher gut.« Heutzutage hängt man doch nur noch mit dem Interesse
auf, mit dem man ein Portfolio besichtigt. Constanze steht vor der temporären Kunsthalle an der Spree, im Nebel dahinter verlieren sich Abbruchreste des Palastes der Republik wie Kulissenteile aus dem Film Der Untergang . Weiß auf Blau die große Kunsthutschachtel, das Weiße ist eine gepixelte Wolke.
    Constanze wollte »schon immer mal im 20er-Jahre-Berlin leben«. Die Krise gibt ihr vielleicht die Möglichkeit. Es ist beileibe nicht so, dass die Krise nicht auch herbeigesehnt werden könnte, von den Nachtvögeln und Tigerinnen und Abenteurern Berlins. »Die Karten werden neu gemischt – wie wunderbar.«
    Constanze, die einstige Slawistikstudentin der Humboldt-Uni, hat schon ein paar Neuanfänge hinter sich. Die Währungsunion, die Ankunft des Kapitalismus, was für ein Fest! Nur ein paar Querstraßen weiter lag die Filiale der Deutschen Bank am Alexanderplatz. Nie wieder wurde der Kapitalismus so leidenschaftlich-taumelnd gefeiert wie hier in der verblassten DDR in der Nacht der Währungsunion, als die D-Mark in den Osten kam.
    Die Filiale gab die ersten D-Mark-Scheine aus, echtes Geld. Hupende Trabbis blockierten die Straße, vom Dach eines Hochhauses dröhnte Abba mit »Money, money«, Rotkäppchensekt floss in Strömen, und immer wieder wurden Ohnmächtige aus der Schalterhalle getragen, denn jeder wollte die Fetische als Erster berühren in dieser

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