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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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verstehen wollen, überhaupt nicht als Entlastung gelten lassen können. So sah das auch die Opernchefin Kirsten Harms und nahm die Inszenierung kurzfristig aus dem Programm. Und es waren nicht die christlichen, buddhistischen oder altgriechischen Lobbys, die sie fürchtete.
    Doch das große Religions- und Toleranz-Testen ging weiter. Auf Bühnen zwischen Hamburg und Frankfurt und Wien wurde nun unbekümmerter als je zuvor berserkert, um den Religionen mal zu zeigen, was eine Harke ist. Die radikalste Verspottung war in Frankfurt zu sehen, und interessanterweise verlangte dort nun der israelische Kulturbund eine Absetzung der Inszenierung, die er als antisemitisch empfand. Irgendeiner fühlt sich immer auf den Schlips getreten, doch genau das gehört zum Wesen unserer Kunstfreiheit. Finden wir doch alle, oder?
    Dennoch. Sosehr ich ganz selbstverständlich für die grenzenlose Kunstfreiheit bin und schon den Gedanken, dass auf einen Witz mit Gewalt und Einschüchterung und Terror reagiert wird, erschreckend finde, sosehr ich also militante religiöse Gereiztheit ablehne, sosehr muss ich anerkennen, dass es sie gibt. Es gibt einen heiligen Kern für viele, in allen Religionen. Und ich glaube, dass dieser Respekt verdient.
    Wir Katholiken sind mittlerweile kränkungsgewöhnt. Ob es nun Madonna ist, die sich in ihrer Bühnenshow unter eine Dornenkrone an ein Kreuz stellt, oder ob es der Gekreuzigte in der Satirezeitschrift Titanic ist, der zum Lustobjekt für einen Bischof wird. Besonders unwohl fühle ich mich, wenn das Passionsmotiv verspottet wird.
    Ich hatte mich in den Tagen der Mohammed-Karikatur mit Harald Schmidt über Witz und Religion und die Grenzen der Kunstfreiheit unterhalten. Er sagte, in seiner Show seien Religionswitze tabu.
    ICH: Sie machen keine Witze über Religion?

    SCHMIDT: Schon wegen meiner Mutter nicht, die guckt zu.
    ICH: Was würden Sie tun, wenn jemand einen Fisch ans Kreuz nagelt und sagt: »In drei Tagen steht er wieder auf.« Würden Sie a) eine Botschaft stürmen, b) einen Molotowcocktail schmeißen, c) weggucken?
    SCHMIDT: Nee, ich würde sagen, das hat der jetzt mit einer christlichen Religion gemacht, jetzt warten wir mal ab, bis dieser Erbe Heines sich anderen Weltreligionen ähnlich zuwendet und was dann passiert. Und ich glaube zu ahnen, was dann passiert.
    ICH: Was denn?
    SCHMIDT: Rumms.
    Schmidt ist damit keine Ausnahme. Auch Bruno Jonas erklärte kürzlich, in seinem Kabarett kämen keine Religionswitze mehr vor.
    Der Cartoonist Til Mette hingegen macht Witze über Religion. Einige davon sind in diesem Buch zu sehen. Seit zwanzig Jahren beliefert er den Stern mit seinen Karikaturen, und das wöchentlich, meistens drei auf einer Seite, und er bringt mich öfter zum Lachen als jeder andere deutsche Cartoonist. So einer, dachte ich mir, muss einfach ein entspanntes Verhältnis zum Leben haben.
    Allerdings so entspannt dann auch nicht, wie sich herausstellte, denn seit dem Karikaturenstreit können Religionswitze lebensbedrohlich sein. Ganz besonders Witze über den Islam. Ach, eigentlich nur die Witze über den Islam. Und Mette liebt sein Leben und seine Kinder. Eine ganz neue Situation für Witzemacher in der Komfortzone der deutschen demokratischen Laissez-faire-Gesellschaft, zumindest der westdeutschen: dass man durch einen Witz die eigene Sicherheit aufs Spiel setzen könnte.
    Til Mette überlegt sich genau, was er tut. Eine plumpe Mohammed-Karikatur aus purer Lust an der Provokation würde er nicht zeichnen, schon deswegen, weil er Plumpheiten hasst. Wir unterhielten uns über Witz und Religion. Er ist ein
freundlicher rothaariger Riese, und, soweit ich verstanden habe, ein konfessionsloser Anarchist, ein lächelnder Agnostiker mit Respekt vor den Wundern der Schöpfung und den Mitmenschen. Und er sieht die Waffenungleichheit zwischen Islam und Christentum, was den Humor angeht, durchaus. Für den Cartoonisten eine relativ unbequeme Zwischenlage. Der Islam bis zu den Zähnen bewaffnet, während das Christentum die andere Wange hinhält. Ersteren zu provozieren wäre zu gefährlich, Letzteres zu beleidigen zu ungefährlich. Spaß macht beides nicht. Dass er dennoch unter dem Titel Gott, oh Gott ein Buch mit Cartoons aus der religiösen Sphäre vorlegen kann, zeigt, dass sein Humor auch unter schwierigsten Bedingungen funktioniert.
    Ich habe mir einige Sachen daraus für dieses Buch entliehen. Zum Beispiel die Anbetung des Oldtimer-Porsche durch eine Jedermanns-Gemeinde von

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