Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
verzückten Andächtigen. Papst Johannes Paul II. hätte die Abirrung des inneren Menschen in die Klauen des Konsumismus nicht prägnanter formulieren können. Und ist der Osterhase, der auf die Kanzel hoppelt, nicht eine drastische Beschreibung für den Hokuspokus, den sich heutzutage manche Pfarrer einfallen lassen, um die frohe Botschaft für die TV-Idioten kompatibel zu machen?
    Bild 5
    fast gelungene Integration
    Mein Favorit allerdings ist der ganz schlichte Predigtwitz. Der Pastor spricht zu den vier oder fünf, die da im Namen des Herren oder wem immer versammelt sind: »Die heutige Predigt handelt von der Bedeutung Gottes bei einem Kursverlust des Euros von mehr als 8 %.« Diese Andacht auf den Gesichtern!
    Und könnte man die Debatte über religiöse Identität nicht enorm entschärfen durch Karikaturen wie die über das »Teilen des Roten Meeres ohne Spritzer« oder die hintergründige Klugscheißer-Erläuterung unseres Osterhasenschwachsinns durch einen Migrationsstreber, der seiner Kopftuchfrau angesichts eines Eier-Jongleurs erläutert: »Für Einheimische symbolisiert es das Zentralmotiv ihres Glaubens. Die Auferstehung Jesu«. Eine beißendere Kritik an unserem eigenen erschlafften religiösen Sensorium kann es nicht geben. Es ist die 180-Grad-Drehung der Bühne. Der Migrant klärt uns über unsere verloren gegangene Gläubigkeit in unserer »christlich-abendländischen Kultur« auf. Das ist so genau und hinterfotzig und auf den Punkt komisch, wie es nur sein kann.
    Doch auch er beschäftigt sich mit einer Kategorie von Witzen, die mir Bauchschmerzen bereitet. Ich meine die Witze über das Kruzifix, also die über die Passion Christi. Ich würde nie nach dem Zensor rufen, aber ich würde jederzeit laut bekennen, dass ich sie nicht toll finde. Warum? Weil ich mir, während ich mich amüsiere, beim Lachen vorkäme wie einer der römischen Legionäre, die unter dem Kreuz stehen und den Herrn verspotten.

    Ich möchte kein dummer römischer Legionär sein und möchte nicht dessen Roheit verdoppeln. Ich habe mitgelitten als Kind, eine meiner frühesten Erinnerungen, und ich habe mich irrsinnig gefreut über die Auferstehung, über Ostern, das für mich immer ein Tag des Lichts war. Passionswitze zielen ins Zentrum meines Glaubens.
    Mit dem Monty-Python-Film Das Leben des Brian dagegen habe ich kein Problem. Warum? Weil nicht Jesus dort am Kreuz hängt und »Always look at the bright side of life« singt, sondern …, hm, Brian. Dieser kleine Übersetzungsschritt macht einen großen Unterschied. Er lässt mir Raum, meine religiöse Empfindsamkeit in Sicherheit zu bringen, und Religiosität ist nur ein anderes Wort für Empfindsamkeit. Jesus am Kreuz ist nichts als Ohnmacht und Agonie, und es ist von vornherein nicht komisch, auf einen Sterbenden einzudreschen. Für einen Gläubigen bedeutet es ganz buchstäblich das.
    Ich denke, wir alle könnten mit der folgenden Pointe gut leben: Herschel ist im Himmel und darf nach langem Antichambrieren durch Petrus eines Abends an der festlichen Himmelstafel neben dem Schöpfer sitzen. Er ergreift die Gelegenheit beim Schopf und stellt Gott eine Frage, die ihn schon lange umtreibt: »Allmächtiger Herr, es gibt ja so viele Religionen dort unten, und alle behaupten, die alleinige zu sein: Da sind wir und die Katholiken und die Protestanten, die Hindus, die Moslems … welche von diesen Religionen ist Dir denn die liebste?« Da wendet sich Gott lächelnd zu ihm und sagt: »Ach, weißt du, Herschel, ich hab mich eigentlich nie so richtig für Religion interessiert.« Auch der ist von Joffe.
    Wenn er sich nur herumsprechen würde bei denen, die im Namen Gottes töten.

MEINE KIRCHE

Das Geheimnis der Form
    »Rituale ohne Glauben sind leer, aber ein Glaube ohne Ritual ist gestaltlos.«
    Father O′Connor, New York
     
     
     
    Wie kann ich über den Glauben schreiben oder reden, ohne dass es abgenutzt klingt und mich und andere langweilt? Wie kann man überhaupt diese Gegenwelt des Glaubens betreten, ohne salbungsvollen Eigentlichkeitsjargon oder banale Modernismen einzuschleppen?
    Über diese und andere Fragen unterhielt ich mich mit dem Schriftsteller Bernhard Schlink während eines Empfangs, der zu Ehren Claude Lanzmanns im Casino des Springer-Hochhauses gegeben wurde. Schlink, Sohn eines Theologieprofessors, eröffnete mir während des Essens, dass er hin und wieder predige. Und dass man, wenn man die frohe Botschaft Zeitgenossen verkünde, notgedrungen in die Sprache

Weitere Kostenlose Bücher