Das katholische Abenteuer - eine Provokation
nennen, und wer bekennen«, sagt der Faust auf Gretchens Frage, »der Allumfasser, der Allerhalter«. Er weicht ein bisschen aus.
SAFRANSKI: Ja, Faust scheint da auszuweichen, aber im Grunde benennt er es doch, soweit es ihm möglich ist. Es gibt ja etwas. Dass man es selber so explizit nicht genau sagen kann, ist gut so, jedenfalls für mich ist es ganz gut. Ich kann aber verstehen, dass es andere auf ein Bild fixieren, und wenn die sorglich damit umgehen, ist das auch nicht weiter schlecht, aber für mich wäre das nicht die Art.
Religionen sterben, aber das, worauf sie sich beziehen, stirbt nicht, und es wird neue Formen geben, welche, das wissen wir nicht.
Oh, Gott!
Warum kann man in diesen Tagen so schlecht über Religion lachen? Weil sie buchstäblich eine todernste Angelegenheit geworden ist.
Normalerweise macht der Witz vor nichts und niemandem halt. Witz ist gelebte Anarchie. Dem Witz ist nichts heilig, das ist ja der Witz. Und natürlich lebt der Witz von der Gefahr, deshalb blüht er in Diktaturen, dient als subversives Ventil.
Es gibt wunderbare Religionswitze, und meistens sind sie jüdisch. Einer der besten und unerschöpflichsten Witzeerzähler ist Josef Joffe, der Herausgeber der Zeit, der uns einen ganzen langen Abend damit unterhielt. Einer der komischsten war ein Vergleichswitz:
Ein katholischer Priester, ein Baptisten-Pastor und ein jüdischer Rabbi wetten, wessen religiöse Bekehrungskraft am größten ist, und sie wollen es an der rohen, primitiven Natur testen, an einem Bären.
Nach seinem Versuch erscheint der katholische Priester mit einigen Pflastern wieder. Er erzählt, er habe das Kreuzzeichen geschlagen, der Bär habe aus Reflex kurz zurückgehauen, wäre danach aber brav gewesen und habe fromm die Tatzen übereinandergelegt.
Der Baptist kommt humpelnd und schwer bandagiert zum Treffpunkt. Er hatte mit dem Bären gerungen, beide waren einen Abhang hinuntergerollt, hinein in einen Fluss. Als sie dann kurz wieder aufgetaucht waren, hatte der Baptist den Bären noch einmal unter Wasser gedrückt und schnell gerufen: »Ich taufe dich.« Aufgabe erfüllt.
Der Rabbi aber muss im Krankenhaus besucht werden. Er trägt einen Ganzkörpergips. Er hängt am Tropf. Er wird durch einen Strohhalm ernährt. Die beiden anderen wollen wissen,
was passiert ist, und beugen sich dicht über den Schwerverletzten, der stöhnt: »Vielleicht hätte ich gar nicht erst von der Beschneidung anfangen sollen.«
Was auffällt: Der Islam ist nicht dabei. Über den Islam macht man keine Witze, jedenfalls nicht mehr, seit die Mohammed-Karikaturen die halbe Welt in Brand gesetzt haben.
Die Mohammed-Karikatur übrigens war zunächst gar nicht weiter beachtet worden. Erst als ein paar islamistische Mullahs dieselbe herumreichten und den islamistischen Mob aufputschten, kamen die Mordaufrufe. Dann brannte die Westbank. Dann war die eine Hälfte der Welt beleidigt, darunter viele, die Blut gerne mit Blut abwaschen. Mehr als 150 Menschen kamen in den Rasereien des religiösen Mobs um.
Noch Jahre später glimmte die Wut. Dem Karikaturisten Kurt Westergaard, der seit jenen Tagen unter Polizeischutz lebt, drang ein islamistischer Fanatiker ins Haus ein und bedrohte ihn mit einer Axt. Kurz vor Weihnachten 2010 flog eine Verschwörergruppe auf, die geplant hatte, im Redaktionshaus der Jyllands Posten, der Zeitung, die die Karikaturen veröffentlicht hatte, ein Blutbad anzurichten.
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2010 in Potsdam Kurt Westergaard für seinen Mut auszeichnete und dringend Religions- und Meinungsfreiheit einklagte — derweil waren Scharfschützen auf dem Dach postiert und kontrollierten Sicherheitsbeamte den Park –, protestierten Vertreter muslimischer Verbände in Deutschland dagegen. Die hatten allerdings schon damals protestiert.
Bei uns wiederum war man empört über diese Wut auf den Karikaturisten. Zumindest das müsse die Aufklärung doch erbracht haben, rief man sich zu, nämlich dass man auch über das Religiöse Witze machen dürfen muss. Prompt stürmten unsere mutigen Theaterregisseure voran: Hans Neuenfels mit Mozarts »Idomeneo«, in dessen Inszenierung am Ende die abgeschlagenen Köpfe von Poseidon, Buddha, Mohammed und Jesus auf die Bühne getragen werden. Ausgerechnet im Versöhnungsschlussbild.
Poseidon als Religionsgründer? Vermutlich auch das ein Witz, eine Verlängerung ins Absurde, ein Ablenkungsmanöver, was aber religiöse Fanatiker, die keinen Spaß
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