Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Predigt also. Sie ist Glückssache. Bisweilen gerate ich in Predigten, die eine beleidigende Unterforderung sind. Und dann heißt es, den eigenen Hochmut zu erkennen und den Menschen zu sehen, der da predigt und sich Mühe gibt, das Netz auszuwerfen. Aber bisweilen gibt es auch Routiniers, die sich so ganz empörend überhaupt keine Mühe mehr geben.
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Nach der Predigt zurück an die Fundamente, in die Vergewisserung, ins Glaubensbekenntnis, in dem jeder Einzelne all diese haarsträubenden und gleichzeitig wundervoll Hoffnung spendenden Dinge beteuert. Nichts davon hält dem Licht der Aufklärung und der Wissenschaft stand. Ja, recht eigentlich kommt man aus dem Kopfschütteln nicht heraus. Doch wir beten: »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel.«
Das ist der Dreh- und Angelpunkt. Das war er schon für den Apostel Paulus. Jesus ist vom Tod erstanden. »Ist Christus nicht von den Toten auferweckt, so ist euer Glaube vergeblich«, schreibt er im 1. Korintherbrief 15,17. Auferstehung ist hier nicht metaphorisch gemeint. Jesus ist leibhaftig auferstanden, nicht im Grab verwest. Erst so hat die Idee der Auferstehung beflügelnde Kraft. Jeder von uns kann auferstehen, kann sein Leben neu beginnen. Die Auferstehungshoffnung lebt in jeder Messe, in der sie gefeiert wird, neu auf und krempelt uns um. Weiterhin glauben wir an den Heiligen Geist, an die heilige katholische Kirche, und dann noch mal: an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Habe ich Zweifel manchmal? Aber wie! Es ist absurd, und da hilft tatsächlich nur der Sprung in den Glauben, und der speist sich aus einer unbürgerlichen Lebenshaltung, das wusste schon der protestantische Religionsrebell und Romantiker Kierkegaard, der den abgesicherten, bequemen Amtsglauben seines Bischofs Martensen in Grund und Boden polemisierte. Könnte man Kierkegaard vielleicht nachträglich zum Katholiken ehrenhalber machen? Er verachtete den Pomp, aber er liebte das Theater.
Es ist ein ständiges Anrennen gegen den Zweifel an diesem Auferstehungswunder, dieser Glaube. André Gide bekannte
Paul Claudel, er könne einfach nicht glauben. Claudel antwortete ihm: Geh in die Kirche sonntags, knie dich hin, der Rest kommt von alleine.
Auf das Glaubensbekenntnis folgt die Kollekte. Unsere Gemeinde ist engagiert in Ruanda. Also geben wir an ziemlich vielen Sonntagen etwas für eine Schule in Ruanda und besorgen Schulhefte und anderes Unterrichtsmaterial davon. An anderen Sonntagen geht das Geld in unser eigenes Dach, denn das ist undicht, und vom Pfarrhaus rutschen Ziegel auf den Vorplatz.
Und dann knien wir, vor Gott und vor dem Mysterium, dem wir beiwohnen, denn nun führen uns die Gebetsformeln des Priesters zum heiligsten Teil der Messe, zur Wandlung. Zur Evokation des letzten Abendmahls. Der Priester erinnert an die im wahrsten Wortsinn erschütternde Handlung an diesem letzten Abend von Jesus im Kreis seiner Jünger, vollzieht sie gleichzeitig und spricht in der Konsekration diese uralten Worte »Nehmet hin und esset alle davon«, Worte, die aufgeladen sind vom Geheimnis der Transsubstantiation, »dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wurde …«
Was ist das für eine völlig außerordentliche Sprache? Wie will man solche Ungeheuerlichkeit anpassen und überführen? Auf jeden Fall ist es nicht die Sprache, die man in der Tagesschau oder in der Kantine hört, und auch deshalb kann ich hier und jetzt meinen Kopf senken. Es ist die archaische Sprache des Opfers.
Früher hieß es »hoc est enim corpus meum«. Auf das »enim« kam es an, es war umkämpft auf Konzilien und in Glaubenskriegen. Ist es der Leib, oder symbolisiert die Hostie nur diesen Leib? Doch auch heute noch wird diskutiert über die Wandlungsformel, die über dem Kelch gesprochen wird. »Das Blut, das für euch und die vielen vergossen wurde.« Muss es nicht heißen »für alle«? Die Deutsche Bischofskonferenz liegt darüber im Clinch mit dem Vatikan, dahinter liegen Weltbilder und philosophische Traditionsketten, die weit zurückreichen.
In dieser Sprache schlurft man nicht. Doch dann gibt es Lieder wie dieses, wo geschlurft wird, und
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