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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.«
    Da geht mir zunächst nicht nur die theologische Dimension völlig ab, sondern auch die Logik. Es gibt doch keinen Grund, warum der strenge Herr nun plötzlich die Ganovenehre hochleben lässt, zumal sie sich eindeutig gegen seine Interessen richtet. Ein Blick in Internet-Foren zeigt mir, dass es auch anderen so geht. Aber auch, dass es einen Deutungsbandwurm gibt, ein Anrennen gegen dieses Rätsel, eine Diskussion, die sich in lauter Versuchen erschöpft. Wie wunderbar, dass solche Geheimnisprovokationen noch möglich sind. Doch eines bleibt, und das ist eine Stimmung: Ich glaube, in dem Evangelium ein Lächeln zu spüren. Jesus weiß, wie der Hase läuft unter den Menschen. Und da gibt es eben auch die Cleveren, darunter diesen Verwalter, der für seine Zukunft zu sorgen versucht. Er sagt, wenn ihr nach deren Regeln spielen wollt, nur zu, aber eines muss euch klar sein: »Kein Haussklave kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.«
    Ich glaube, an jenem Sonntag mit dem Gleichnis vom untreuen Verwalter hat sich auch unser Pfarrer um eine Deutung gedrückt und sich auf einen Paulus-Brief gestützt. An einem anderen jedoch legte er das Evangelium aus wie unter Hochspannung. Da ging es um die Geschichte von Zachäus, dem Zöllner, der so kleinwüchsig war, dass er Jesus nicht sehen konnte aus der Menge heraus, also stieg er auf einen Baum. Als Jesus ihn dort sah, rief er ihm zu, dass er gedenke, in seinem
Haus zu übernachten. Die anderen, die Stützen der rechtschaffenen Öffentlichkeit, empörten sich darüber, denn unser Zachäus hatte eindeutig ein Image-Problem: Er war Zöllner. Und Zöllner hatten einen schlechten Ruf. Sie rangierten zwischen Gaunern und Zuhältern. Und bei so einem wollte Jesus absteigen? Ausgerechnet bei ihm wollte er essen, sich betten, wo doch die Pharisäer und sonstigen Honoratioren sich bereits einen Besuch bei ihnen ausgemalt hatten? Allmählich, möchte man meinen, ist das kein Zufall mehr, sondern eine Verhaltensauffälligkeit. Jesus fühlt sich offenbar wohl in der Gesellschaft von zweifelhaften Figuren.
    Dem Evangelium folgt die Predigt. Jede Predigt ist ein Bruch in der Liturgie. Der Priester tritt aus dem sakralen in den profanen Raum, aus der liturgischen in die Tages-Wirklichkeit. Er schließt sich mit uns kurz. Er deutet, er berichtet womöglich aus seiner Lebenswelt, er greift in unsere, er vergleicht.
    An jenem Sonntag begann unser Pfarrer seine Predigt über die Ränder der Gesellschaft, über die Zachäus-Typen, mit einer Bildbeschreibung. Die Kunst ist ein guter Korridor für die Passagen aus der spirituellen in die triviale Welt (und zurück!). Für den Speisesaal der Villa San Pastore, so unser Pfarrer, hatte der Malerpriester Sieger Köder ein Abendmahlsbild gefertigt, das mit einer überraschenden Besetzung daherkommt. Statt der Apostel sind dort eine alte Frau, ein KZ-Insasse mit gestreifter Kleidung, ein skeptischer Intellektueller, eine Prostituierte, ein Farbiger, ein Freiheitskämpfer, eine Versammlung der Ausgestoßenen, Leidenden, Verachteten.
    Allerdings sind es nicht nur die Opfer und Getretenen, die Jesus um sich schart. Jeder ist von ihm gemeint. »Jeder ist es wert, gesucht und gefunden zu werden«, ganz besonders diejenigen, denen die Gesellschaft das nicht zubilligen möchte. Also auch diejenigen, die abgedreht, seelisch kaputt, fies, brutal sind. Und unser Pfarrer zitiert Solschenizyn, der sagt, dass jeder »Mensch einen Brückenkopf des Guten« in sich trägt. Und setzt dann die Reihe fort: »Alkoholkranke, Missbrauchstäter, Nazis, Islamisten,
Bankmanager oder der merkwürdige Nachbar.« Moment, noch mal zurückspulen, wie war das: Nazis, Islamisten, Bankmanager? Eine ziemlich extravagante Gegenüberstellung, eine ausgefallene Reihe an Verdächtigen, die wir im Geiste da abschreiten, würde ich sagen. Meint der Pfarrer das wirklich ernst, hat er keinen Respekt? Hat er. Doch er zählt die für uns Unbequemsten auf, diejenigen, vor denen wir, die angeblich Frommen, die Selbstgerechten, die Meinungslemminge und Kampagnenläufer und Zeitgeistler, keinen Respekt haben. Genau die meint Jesus, wenn er sie sucht und zu sich ruft. Jesus ist nicht nur der Mann der Außenseiter, sondern auch all derer, die aus dem selbstgerechten Meinungskonsens ausgestoßen sind. Und er sammelt sie, um mit ihnen zu reden, um sie anzusprechen, um ihr Herz zu gewinnen und ihre Seelen zu retten.
    Die

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