Das katholische Abenteuer - eine Provokation
und fällte sie. Klarer kann man sich nicht ausdrücken.
Es sieht ganz so aus, als hätte Bonifatius gewonnen. Über seinem Grab erhebt sich rund 1250 Jahre später, barockprächtig und stadtbeherrschend, der Dom von Fulda. Dahinter sorgt das Priesterseminar für katholischen Missionsnachschub, und in dem spätbarocken Vikariat führt der Bonifatius-Nachfolger eine Diözese als Großunternehmen: Erzbischof Johannes Dyba.
Gewonnen? Gewonnen ist gar nichts, wenn es nach diesem Bischof geht. Wer Johannes Dyba reden hört, fühlt sich mit geradezu ansteckender Munterkeit in einen Kampf gezogen, der ihn bis dahin womöglich nichts anging. Wenn Fulda heute über die hessischen Wälder hinaus Bedeutung hat, dann liegt das auch an diesem Bischof, der Missverständnisse so sehr hasste wie sein Vorgänger.
Dyba ist klein, aber athletisch. Er geht aufrecht. Er lacht viel, doch seine Hand würde gut um den Schaft einer Axt passen. Die Lage, wie sie sich für ihn darstellt: Das Land ist nur oberflächlich christianisiert. Ein bisschen lauwarme Sozialstaatsfrömmigkeit, ansonsten Glaubensschwäche, Götzendienste, falsche Idole, Heidenfeuer, TV-Halligalli.
Er scheint nicht ganz unrecht zu haben. Religiosität im öffentlichen Raum ist oft nur noch eine Schmunzelnummer.
Etwa in den beleidigend unterfordernden Jesulein-Schnulzen im »Wort zum Sonntag«, wo Pastorinnen mit unaussprechbaren Doppelnamen dazu auffordern, einmal einen türkischen Mitbürger so richtig doll in den Arm zu nehmen, und mit derartigen Gefühlsplattitüden den anschließenden Krimi regelmäßig aufs Unmenschlichste verzögern.
Oder Pastor Fliege, der Gott den »Gangster da oben« nennt, weil der sich mal wieder nicht um die Soziopathen-Klientel gekümmert hat, die sich im Fliege-Studio an der Gurgel liegt. »Gangster da oben«? Das wäre zumindest ein Verstoß gegen das zweite Gebot: »Du sollst den Namen deines Herrn nicht missbrauchen. « Als die evangelische Kirchenleitung den Moderator sanft rüffelt, protestiert er zeitgerecht und nennt diese Erinnerung an Glaubensgrundsätze: »Fundamentalistisch.«
Die Kirchen? Jenseits der schlagzeilenträchtigen »Kirche-von-unten«-Festivals auf den Kirchentagen: leer. Sie sind heute nicht durch zu viel Widerstand bedroht, sondern durch zu geringen. Sie sind der Spaßgesellschaft gleichgültig, wenn sie ihr nicht gerade mal wieder mit päpstlichen Statements gegen die Abtreibung die Laune verderben. Dann allerdings fühlt sie sich gewaltig gestört.
An ihrem Bedeutungsverlust sind die Kirchen nicht schuldlos. Wenn christliche Religion heute von führenden evangelischen Theologen zur »Software Moral« hinunterdefiniert wird, userfriendly, ohne Opfer und für jeden Pipifreak vor dem Computer leicht zu haben – dann ist sie tatsächlich kaum mehr als fromme Fahrstuhlmusik, jederzeit auswechselbar.
Da legt sich jemand wie Dyba gerne quer. Da macht er sich klotzig, macht sich schwer verdaulich. Und dann lässt er sich auch auf eine Talkshow-Einladung ein, etwa nach Berlin, hinein ins Heidenland, wie immer mit dem Vorsatz, eine Eiche zu fällen. Mindestens.
Mittlerweile wird das Eichenfällen geradezu von ihm erwartet. Dyba, die Axt Gottes. Sabine Christiansen hatte zum Thema »Moral und Politik« geladen. Von Zeit zu Zeit gönnt sich der
bunte Quotenrummel solche Kater-Schübe ins Grundsätzliche ganz gerne. Und Dyba, Erzbischof, erzkonservativ, erzschwarz, auf alle Fälle Erz, liefert der TV-Erregungskultur mit schöner Regelmäßigkeit rhetorische Schlüsselreize.
Bisweilen ist die Aufregung, die er auslöst, von abgrundtiefer Dämlichkeit. In einer früheren Sendung hatte er die richtige Feststellung getroffen, dass vor zwanzig Jahren jeder für geisteskrank erklärt worden wäre, der für die Gleichstellung von Schwulenehen plädiert hätte. Diesen Vorschlag hatte die neue SPD-Familienministerin kurz zuvor zu ihrer Priorität erklärt. Anderntags war ein Orkan der Empörung durch den Blätterwald gefegt. Von Westerwelle bis Vollmer zeigten sich alle schwer betroffen: über den rückständigen Dyba. Des Bischofs Nachsatz, dass nämlich »heute sich die Situation wohl geändert habe«, wurde völlig unterschlagen.
Aber natürlich ist Dyba gegen die Schwulenheirat, ganz einfach, weil das Sakrament der Ehe nun mal zwischen Mann und Frau gespendet wird. Das ist, sozusagen, katholische Hausordnung. Die wird im Übrigen nicht nur durch die Bibel, sondern auch durch das Grundgesetz favorisiert, das
Weitere Kostenlose Bücher