Das katholische Abenteuer - eine Provokation
dachte. Die betreffende Textstelle nämlich sprach davon, dass
erst mit der Herstellung des Gottesreiches all die »Schwerter in Pflugscharen« verwandelt würden. Nun, das Gottesreich war und ist in weiter Ferne – und in der Zwischenzeit hat es sich als durchaus angebracht erwiesen, die Sowjetunion in die Knie zu rüsten und damit auch die Gefängnisse für Systemgegner und Menschenrechtler und Priester zu öffnen. Wichtiger als jede militärische Aufrüstung ist ihm jedoch die geistige, ganz besonders die in der Kirche: die Verteidigung von Grundsätzen, an die er glaubt.
Sein Sekretär, der 31-jährige Priester Ulrich Schäfer, der den Film Matrix mag, Gregorianik und Queen durcheinander hört und auch sonst durchaus von dieser Welt ist, sieht in den von Dyba ermunterten geistigen Erneuerungsbewegungen die einzige Chance der Kirche für die Zukunft. Er zitiert den Bischof: »Lieber als 100 Prozent laue Freunde sind mir 30 Prozent Marktanteil. « Das klingt wie: Wenn es sein muss, machen wir in den Katakomben weiter.
Schäfer gehört der charismatischen Schönstedt-Bewegung an, die »alle zwischenmenschlichen Beziehungen aus der Bindung mit Gott heraus gestaltet«. Ob er sich Sorgen um den Priesternachwuchs mache? Sicher. »Aber das lässt sich nicht durch flotte Plakate beheben – das persönliche Beispiel jedes einzelnen Priesters ist wichtig.« Eine Abschaffung des Zölibats, immer wieder im Gerede, kommt für ihn nicht in Frage. Kann sein, dass es mehr katholische Priester gäbe, wenn sie heiraten dürften wie die Protestanten. Allerdings: Was unterschiede den Priesterberuf dann noch von jedem anderen Brotberuf? Der Zölibat hat für Schäfer seinen Sinn – es verlange Opfer, den tatsächlichen Sprung, stärke die Bindung mit Gott und führe letztendlich zu größerer innerer Freiheit.
Marina Broj, die Diözesan-Referentin und promovierte Theologin, die ihr Kellerbüro mit allen nur denkbaren feministischen Kalendersprüchen bepflastert hat (»Als Gott den Mann erschuf, hat sie nur probiert«), hat mit der »männerbeherrschten« Kirche unverhohlen Probleme. Doch mit Respekt spricht sie von
Dybas Eindeutigkeit. Und die galt ganz besonders in der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung.
Tatsächlich geht Dyba aus dieser heißesten Zerreißprobe des deutschen Katholizismus als einsamer Sieger hervor. Abtreibung, eine Kernfrage. Für Katholiken ist Abtreibung Mord, »ein verabscheuungswürdiges Verbrechen«, wie es das Zweite Vatikanische Konzil nannte. Katholiken glauben nun mal, dass Gott Leben schenkt, noch bevor es zur Welt kommt, so, wie es in Psalm 139 niedergelegt ist: »Du hast mich gebildet im Mutterleib.«
Man muss kein Katholik sein. Man muss nicht daran glauben. Man kann das alles für Humbug halten. Man kann eine Schwangerschaft als Betriebsunfall, als biologische Wucherung betrachten, die man sich wegmachen lässt wie eine Zyste. Man kann es sehen wie Jutta Ditfurth, die einst meinte, zum gesunden Sexualleben einer Frau gehörten mindestens zwei Abtreibungen. Man kann Abtreibung aus wirtschaftlicher Not legitimieren oder aus seelischer. Man kann es für völlig normal halten, dass in Großstädten wie Berlin auf 1000 Geburten 300 Abtreibungen kommen. All das geht. Nur nicht für Katholiken.
Mit der Neuregelung des Abtreibungsparagraphen vom 21.8.1995 war eine absurde Situation für die katholische Kirche geschaffen worden: Nun sollte ausgerechnet sie mit ihren Bescheinigungen in der Schwangerschaftskonfliktberatung die Voraussetzung für eine schnelle, straffreie Abtreibung schaffen. Das war selbst für Außenstehende schwer zu begreifen – als fordere man von einem Abstinenzlerverein, für den Neubau von Kneipen zu sorgen. Konnten das nicht die Säufer selber besorgen? Im Klartext: Warum gab der Staat die Abtreibung nicht gleich frei, wie es in der DDR der Fall war, statt sich mit einem Umweg über die Kirche moralisch abzusichern?
Mit Dyba war das nicht zu machen. Er stieg – als einziger deutscher Bischof — mit seiner Diözese aus. Und sprach ungeniert auch über ein schmutziges Geheimnis der katholischen Beratungsindustrie — Millionen an staatlichen Zuwendungen
flossen ihr zu, Büros, Arbeitsstellen, Honorarverträge, ein ganzes Heer lebt davon. »Das ist doch eine regelrechte Industrie geworden«, sagte Dyba, »und die Caritas kassiert ab.« Als gäbe es nicht genug staatliche Büros wie Pro familia, die derartige Lizenzen vertreiben.
Im Bistum Fulda wurde weiterhin
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