Das katholische Abenteuer - eine Provokation
konnte keinen würdevolleren Rahmen geben für die Konferenz, zu der der damalige Chef des Vatikan-Radios, Pater SJ Gemmingen, eingeladen hatte, als den Campo Santo im Campo Teutonico, dem deutschen Pilgerfriedhof im Schatten des Petersdoms. Zusammengekommen waren Journalisten, Professoren, Autoren, die diskutieren sollten, wie der Glaube heute zu vermitteln sei. Miteingeladen war ein Werbeprofi, der eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet hatte über die Lage der katholischen Kirche.
Es war ein älterer Managertyp im Dreireiher, der dort vortrug, der Einzige, der konservativ dunkel gekleidet war bei hochsommerlichen Temperaturen. Doch er war der Mann der Zukunft. Er legte eine Folie nach der anderen auf den Leuchttisch und machte uns klar, wie sehr wir und das Paket, das von uns Katholiken vertreten wurde, von vorgestern waren. Er zeigte Torten und Kurven und Prozentbalken, und alle ergaben den gleichen Befund: Es sieht schlecht, sehr schlecht aus.
Das läge gar nicht unbedingt an dem Inhalt, den die Kirche zu verkaufen habe, meinte der Mann, sondern an der Form und am Stil. Und damit meinte er nicht die Renaissancegiebel und barocken Verzückungen Roms. Er meinte die Botschaft.
Viele der Gleichnisse des Neuen Testaments seien schlicht unverständlich, und sie seien in einer Sprache abgefasst, die heute niemand mehr spreche. Er schob eine Weile seine Folien hin und her und warf mit Begriffen wie »Zielgruppenorientiertheit« und »Erwartungshorizont« und »Produktplatzierung« um sich. Mir fielen die Augen zu. Weil es sich anhörte, wie sich auch draußen alles anhört. Schwellen tieferlegen. Modern werden. Vorkauen. Ich opponierte schließlich. Etwa so: Warum sollen wir irgendwelche Schwellen tieferlegen? Muss die Kirche jedem Couch Potato hinterherlaufen und sich klein machen?
Warum müssen wir unbedingt Klampfengottesdienste feiern und dazu banalsten Gefühlskitsch und Andachtsplattitüden von uns geben, nur weil irgendeiner dachte, das sei die Sprache der Jugend (was sie in der Regel aber gerade nicht ist!)? Warum »Willkommen sind alle, die der Sonne entgegensehen,/ und alle, die auf trübes Wetter stehn«, wenn es doch Lieder wie »Freut euch ihr Christen alle« gibt? Auch dass es gerade die Fremdheit eines Evangeliums ist, die uns herausfordert und fasziniert, mochte unserem Werbefachmann nicht einleuchten.
Die Bischöfe sind in Teilen offen für das Werbekauderwelsch und Soziologendeutsch. Sie fallen rein auf alles, was modern und wissenschaftlich klingt, weil sie der Strahlkraft der frohen Botschaft, wie froh sie auch immer sein mag, nicht so recht trauen. Da redet der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz Zollitsch wolkig von einer »Option für den Menschen« und möchte eine »Dialogoffensive« starten. Überhaupt will die Bischofskonferenz einen »strukturierten Dialog auf der Ebene der Bistümer über das Bezeugen, Weitergeben und praktische Bekräftigen des Glaubens« führen.
Was noch mal war eigentlich so falsch am Messelesen, Taufen, Beichteabnehmen, an Predigten, an Seelsorgegesprächen? Vor lauter Ratlosigkeit darüber, dass man einen Glauben vertritt, der 2000 Jahre alt ist, möchte man ihn so aussehen lassen, als sei er vorgestern von drei Soziologiestudenten im Internet-Café »Bible Corner« designt worden. Darunter der Aachener Bischof Mussinghoff, der, so Kolumnist Alexander Kissler, »mit dem Papst selten einverstanden und liturgisch anspruchslos ist«. Dafür aber schwer auf Draht, wenn es darum geht, soziologisches Stroh zu dreschen.
Mussinghoff, erinnert Kissler, hat im Frühjahr 2009 einmal eine prima Übersetzung für »Tradition« gefunden. Die nämlich manifestiere sich im Festhalten an »Projektleitungs- und Profilcoachings für alle pastoralen Dienste«, so der Bischof. Doch er fasst durchaus auch heißere Eisen an. In seiner Jahresabschlusspredigt an Silvester 2008 warnte er, durchaus stimmig,
vor einem »interkonfessionellen Pluralismus«, der zu einer »Identitätsdiffusion führt, die konsensfähige interkonfessionelle Vereinbarungen erschwert«. Kann man das nicht in deutscher Deutlichkeit ausdrücken? Bei Lichte besehen würde Mussinghoff mit diesem Kauderwelsch wahrscheinlich selbst aus dem »Bible Corner« im Internet-Café fliegen.
Mussinghoff ist ein Symptom für die kriselnde katholische Kirche in säkularen Zeiten, in denen auch die religiöse Sprache verkommt. Mussinghoff ist einer der Aktivsten, wo es um die Zusammenlegung von Pfarreien zu
Weitere Kostenlose Bücher