Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Mittagessens, das von einer Schwester mit der Unnachgiebigkeit serviert wird, die man sich für Sorgenkinder reserviert. Womöglich ist auch sie alarmiert durch seinen letzten Satz. »Das Schicksal des Gremien-Katholizismus ist mir völlig egal«, sagt er da, »mir geht es um die Glaubenssubstanz. « Die Kirchenaustritte bei uns beunruhigen ihn wenig. »Es gibt sowieso viel zu viel Ungläubige innerhalb der Kirche.« Und der Verlust von Kirchensteuern? »Darum machen
sich all diese aufgeregten Wichtigtuer im Zentralkomitee der Katholiken viel mehr Gedanken als ich.«
Merkwürdige Macht-Unbekümmertheit von einem Mann, dessen Kritiker ihm zentralistischen Machthunger vorwerfen. Tatsächlich: In Dyba verkörpert sich eine Wendung im Katholizismus, die sich um zeitgeistgerechte Beliebtheitswettbewerbe und tadelnde Zeit -Leitartikel nicht mehr schert. Dieser Katholizismus will mehr sein als nur eine romkritische Feelgood-Seance. Kirchenkritiker Drewermann? »Ein wabernder Hirtenpullover, den keiner mehr hören kann.« Papstkritiker Küng? »Ein vergeudetes Riesen-Talent.« Und dann erzählt er seinen Lieblings-Küng-Witz. »Küng sollte ja eigentlich zum Papst gewählt werden, aber er hat abgelehnt – weil er dann nicht mehr unfehlbar wäre.« Gehorsam dem Papst gegenüber hält Dyba durchaus für eine wesentliche katholische Tugend.
Wo Kirchenkritik auch innerhalb der Kirche längst mehrheitsfähig ist, predigt Dyba den »Mut gegen die Mehrheit«. Und unversehens entpuppen sich diejenigen, die mit Tingeltangel und Laienpriestertum und Abendmahl für jedermann die Schwellen tiefer legen wollen, als die eigentlich Machthungrigen – nämlich als diejenigen in der Kirche, die jeden Marketingtrick anwenden, weil sie um ihren Einfluss fürchten. Dybas Kirche dagegen ist keine, in die jeder ohne inneren Aufwand hineinlatschen kann. Amüsiert erzählt er von einem Volksoffizier aus Magdeburg, der sich kurz nach dem Mauerfall bei einem Priester beschwerte: »Bloß weil wir Atheisten sind, sind wir doch nicht die schlechteren Christen.« Aber nein!, würde jeder Integrationist beschwichtigen. »Klar seid ihr die schlechteren Christen«, ruft dagegen Dyba. »Aber ihr habt Chancen, das zu ändern.«
Dyba steht für die Randschärfe, für Beibehaltung von Dogmen und Riten, für Religion als Sprung ins Mysterium, der durchaus unbequem sein darf, aber für ihn immer mit dem Versprechen gottesnahen Halts und innerer Heiterkeit verbunden ist. Die Kirche müsste moderner sein? »Nee, die Kirche muss noch viel altmodischer werden.«
Darin steht er längst nicht mehr allein. In einem geistvollen Interview mit Michael Naumann sprach dieser über die »Sehnsucht nach dem Numinosen«, die die Kirchen zu stillen hätten. Sie seien mehr als nur »soziale Dienstleisterinnen«, sie bereiteten »auf das Eschaton« vor, auf das Reich Gottes, das ewige Leben. Der Papst, so Naumann, sei doch deshalb auch bei Protestanten beliebt, weil er in Glaubensdingen feste Positionen einnehme.
Auch Dyba weiß: Riten ohne Glaube sind leer – aber ein Glaube ohne Riten wird gestaltlos. Sonntagsmesse, Prozessionen, Marienverehrung, die Rätsel von Jungfrauengeburt und Dreifaltigkeit, geflüsterte Taufformeln, Buße, ego te absolvo – das alles gehört genauso zum katholischen Glauben wie die Versenkung im Gebet.
Das Sakrament der Beichte zum Beispiel. Wer geht da noch hin? Der Begriff »Sünde« ist unpopulär geworden in einer Gesellschaft, die jeden Fehltritt zur Auslegungssache macht und mit sozialen oder psychologischen Ursachen wegerklärt.
Doch nur die Beichte nimmt den Menschen in seiner Freiheit ernst, als einen, der gesündigt hat und bereut. Statt als »seelisch Kastrierter« in oft jahrelangen Therapien zu versuchen, mit »Schuldgefühlen« fertig zu werden, gibt es, so Dyba, einen radikaleren und schnelleren Weg: »Reue, die Vergebung der Sünden durch den lebendigen Gott im Sakrament der Buße.« Im Übrigen ist auch Dybas Gott im Zweifel barmherzig – er bietet die befreiende Chance zum Neuanfang.
Dybas Katholizismus ist durchaus wehrhaft. Er ist nicht nur Bischof in Fulda, sondern auch der deutsche Militärbischof, und er sieht die Landesverteidigung als eine wichtige christliche Aufgabe. Als die Friedensbewegung zu Beginn der 80er Jahre die Kirchen bevölkerte und mit Bibelworten die sofortige einseitige Abrüstung der Amerikaner verlangte, wies er ihr in einer gelassenen Predigt nach, dass sie doch nicht so bibelfest sei, wie sie
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