Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Versuche: »Im Massengrab?« Knapp daneben. Sebastian, 14, erlöst den Bischof schließlich mit der richtigen Antwort: »In der Sixtinischen Kapelle.« Das sind zwei Erleichterungspunkte extra.
Beim anschließenden Torwandschießen unter den Kirschbäumen im Bischofsgarten erweist sich Dyba als kluger Taktiker – er schießt nicht mit. »Wenn ich treffen würde, würde ich sie deprimieren«, murmelt er. »Und wenn ich daneben bolze, verliere ich meine Autorität.« Und das wäre ganz sicher eine Katastrophe.
Mit dem deutschen Episkopat nimmt er jeden Streit in Kauf. Aber diese potentiellen Priester von morgen, die will Bonifatius’ Nachfolger in Deutschland nicht verlieren.
Die reine Lehre und der Papst
Von Diplomaten, Mystikern und Lehrern – Warum die Kirche mit ihren Päpsten Glück hat
Die Reform-Eiferei
Der Kampf um die Wahrheit und den Glauben und die reine Lehre durchzieht die Philosophiegeschichte von der Antike bis in die Neuzeit. Angefangen von den großen Polemiken zwischen Augustinus und Bischof Julian bis zu Pascals Wahrscheinlichkeitsrechnungen und Voltaires funkelnden Provokationen waren der Glaube und seine Ausformungen Gegenstand leidenschaftlichster Debatten und Kontinente verwüstender Kriege.
Solange es die Kirche gibt, so lange hält das Suchen an. Wie können wir glauben in unserer Zeit? Wie sehr müssen sich theologische Grundsätze neu justieren? Müssen sie das überhaupt? Kann die Wahrheit denn verfallen? Die großen, die Fundamente erschütternden Diskurse über den Glauben als Wagnis, als Lebenskonsequenz werden heute nicht mehr geführt, so scheint mir. Was geblieben ist, sind kleinkleine Kosmetikkurse über Modefarben der Saison. Schade, schade. Kein Ernst mehr in den unzähligen Quasselgruppen der Kirche von unten und den gravitätisch aufgeblähten Gremien oben, den Kirchentagsinitiativen mit ihren bunten Ständen und der Lesben- und Schwulengruppe und dem »Verein für katholische Priester und ihre Frauen«.
Immer mal wieder machen, besonders in der deutschen Heimat des Papstes, Reformvorschläge Furore. Da formte sich zum Beispiel diese Initiative von einigen CDU-Politikern um Bundestagspräsident Lammert zur Rekrutierung von verheirateten Männern zum Priesteramt. Fernziel bleibt, selbstverständlich, die Aufhebung des Zölibats.
Es ist erstaunlich, wie bereitwillig auch kirchliche Kreise vor der Moderne in die Knie gehen. Um es noch einmal zu sagen: Gerade in Zeiten nivellierter Wellness-Religiosität und allenfalls protestantischem Besinnungspausentum wäre der katholischen Kirche jeder Traditionsstolz zu wünschen, jede Form von Gegenwelt und Sperrigkeit, und dazu gehört zweifelsohne der Zölibat.
Der zölibatäre Priester verkörpert das monastische Leben mitten unter uns. Er ist die auratische Figur, die uns, wenn das Zölibat gelingt, die vollständige Hingabe an Gott und an die Gemeinde vorlebt. Er kennt die Welt und ist so lebensklug wie jener Kartäuser-Mönch in dem Film Von Menschen und Göttern, der dem Mädchen, das ihm im Garten hilft, von der Liebe erzählt. Aber er weiß auch noch von einer anderen Liebe zu erzählen. Dass dieser Film die Menschen zu Millionen in seinen Bann zog, hing mit der Sehnsucht nach diesem ganz Anderen zusammen. Und dem Respekt davor. Wollen wir diese Aura, die auch jeden katholischen Priester umgibt, opfern für den Reformgewinn, Lammert-Klone am Altar stehen zu sehen?
Natürlich, Freunde, gibt es nichts Spannenderes heutzutage als Gestrigkeit, nicht Avantgardehafteres als das Bestehen auf Form und Ritus, nichts Aufregenderes als Haltung in einer Zeit, in der Mode-Bekenntnisse im Drei-Sekunden-Takt ausgetauscht werden. Es ist richtig, dass die Zahl der Priester im letzten halben Jahrhundert von 15500 auf 8500 zurückgegangen ist. Gleichzeitig aber ist die Zahl der Gottesdienstbesucher von 46 Prozent auf 13 Prozent kollabiert. Die »viri probati« als Rezept? Da wäre dann bald mehr Gewimmel im Altarraum als in den Kirchenbänken.
Man hat sich innerkirchlich angewöhnt, über die katholische Kirche zu reden wie über einen schwierigen Absatzmarkt, also in Kategorien von Unternehmensberatern und Marketingexperten. Und je schlapper die Gesamtlage ist, desto schriller wirken die Reparaturversuche, ganz besonders, wenn sie diskutiert werden in den geschichtsschweren Mauern des Vatikan.
Hier zeugt jeder Stein, jede Statue von den Tagen glaubensgewisser Größe, von der triumphalen Selbstverständlichkeit des Christentums. Es
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