Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
hier. Aber lass dich nicht erwischen. Ich muss jetzt zum Krankenhaus. Kümmer dich um das Luder im Kellerzimmer und lass die bloß nicht raus! Die ist übrigens eine Nutte, also, bei der solltest du dich unbedingt bedienen, auch wenn sie nicht dein Typ ist.“
„Ich will deine Frau, das war so vereinbart.“
„Auch das, aber das geht jetzt nicht, wir müssen uns um meinen Jungen kümmern. Nimm dir zu Essen und so, aber gepennt wird nicht in meinem Bett! Wenn du auf der Couch liegst, dann pass auf, dass dich keiner sieht. Ich hau jetzt ab.“
Gehetzt verließ Ingmar das Haus. Er sah nicht gut aus, fand Mike. In ihm machte sich so was wie Mitleid breit – ein Gefühl, das er sonst nicht kannte. Ihm dämmerte, dass es vielleicht anderen auch nicht viel besser ging als ihm, selbst wenn sie ein Dach über dem Kopf hatten. Diese ganzen Gören und das Krakele von hysterischen Weibern musste er echt auch nicht haben. Mike stand in Suhrhoffs dunkler Küche und überlegte, was er jetzt tun sollte. Am besten erst einmal die Ruhe genießen. Auf die Heulerei von der Kuh im Kellerzimmer hatte er keinen Bock. Ansonsten hatte er jetzt das ganze Haus für sich allein. Er nahm sich Cola, Brot und Süßigkeiten und machte es sich nach einer ausgiebigen Sitzung auf dem Klo im Wohnzimmer bequem. Wenn es nach ihm ginge, konnte die Familie noch länger wegbleiben. Er würde jetzt erst mal pennen. Die verzweifelten Rufe aus dem Kellerzimmer hörte er nicht. Ingmar hatte alles gut isoliert.
So gut hatte Mike lange nicht geschlafen. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, denn es war immer noch stockfinster. Laut gähnend räkelte er sich, verließ das Sofa und schaute sich um. Vermutlich hatte er über zwei Stunden gepennt, aber Ingmar und seine Bagage waren immer noch verschwunden. Sich den Bauch nochmal vollzuschlagen, wäre das Sinnvollste; wer wusste, wie lange er sich in diesem Schlaraffenland weiter frei bedienen konnte. Es wurde langsam kälter im Haus, außerdem hätte Mike wirklich gerne eine warme Suppe gegessen. Auf dem Herd stand ein großer Topf, den er nur hätte aufwärmen müssen. Das war doch ein großer Mist mit dem Strom! Noch nicht mal Fernsehen konnte er gucken. Vielleicht hatte Ingmar einen Grill. Nur ein paar Schritte hinaus auf die Terrasse reichten aus, um Mike breit grinsen zu lassen. Der feine Herr hatte einen Gasgrill! Leicht war das Teil nicht, aber Mike wuppte das Ding durch den Schnee und die Schiebetür ins Wohnzimmer. Jetzt würde er mal für etwas Wärme in der Bude sorgen und dann wurde gegrillt!
Er drehte den roten Knopf an der Gasflasche auf, summte dabei zufrieden ein paar alte AC/DC-Songs. Das war seine eigene Party. Vielleicht hätte er nach dem Essen doch noch Bock, das schwangere Luder zu vögeln. Nachdem er ein weiteres Bier weggezischt hatte, wühlte er im Kühlschrank herum. Ha! Das hier wurde doch noch zu seinem Glückstag. Die wunderbare Lisa hatte Bratwürste eingekauft – Ehrensache, dass die zuerst dran waren; der Eintopf musste warten. Gut gelaunt wie lange nicht, inspizierte Mike Ingmars Hütte erneut. Fast fühlte er sich schon ein bisschen zu Hause hier. Ihn wunderte es kein bisschen, dass Ingmar im Knast immer so durchdrehte, wenn er nur an Lisa dachte. Dass er nun eben meinte, sie hätte nachgelassen, konnte Mike sich wirklich nicht vorstellen. Er betrachtete das Bett der Eheleute und rieb sich die Hose. Lisa war Mikes Traumfrau, daran würde sich nichts ändern. Sie sah geil aus, konnte putzen, kochen und vögeln. Aber nicht in der Reihenfolge, dachte Mike grinsend. Nun aber zurück an den Grill. Keine Ahnung, wie lange man das Gas so anlassen durfte.
Mike drückte auf den Knopf. Mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte der gesamte Kasten. Der wuchtige Mann flog rückwärts gegen die Wand und war auf der Stelle tot. Ein paar Stühle waren umgekippt, zwei Bilder von der Wand gefallen. Lisas gute Vase aus dem ersten Liebesurlaub mit Ingmar zersprang in tausend Teile. Das sonst so ordentliche Wohnzimmer war verdreckt, hässliche Löcher und Flecken verunstalteten die orange Couch. Mitten im Chaos lag die Gasflasche, die ihren gefährlichen Inhalt verströmte. Dann knallte es noch einmal, allerdings lauter und gewaltiger als zuvor. Das Haus der Suhrhoffs stand binnen weniger Minuten in Flammen. Den Nachbarn bot sich ein gespenstisches Bild. Sie traten aus ihren Häusern, standen in Hausschuhen im tiefen Schnee und beobachteten das Schauspiel. Dass Ingmar Suhrhoff
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