Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
bügelte die wenigen Kleidungsstücke der Familie.
Von Hanna und Elaine hörte sie überhaupt nichts. Gut, dass Elaine sich nicht meldete, verstand sie schon. Immerhin hatte Elaine ihre Tochter verloren – aber mal ganz ehrlich, da hatte Ingmar schon recht: Chantalle war eine Schlampe und das wusste ihre Mutter schon lange ganz genau. Nun musste sie wirklich nicht so übertrieben trauern. Da sah man mal wieder, was man von sogenannten Freunden hatte. Am Ende blieb eben doch immer die Familie, auf die man zählen konnte. Warum rief Hanna nicht zumindest mal an? Lisa hatte ihr die Adresse per SMS durchgegeben. Wahrscheinlich war es Don Fetti nicht gut genug, dass die Suhrhoffs nun im asozialen Viertel der Stadt lebten, in einer Sozialwohnung sogar. Das war wieder so typisch! Lisa hätte ihre Freundinnen nicht hängen gelassen! Immerhin hatte auch sie fast ihr Kind verloren. Ihr zweites … Nur nicht an die Vergangenheit denken. Zumindest war Sebastian wieder wohl auf und hatte den Stromschlag gut weggesteckt. Er ging sogar wieder zur Schule – das war die Hauptsache. Sie waren gesund und hatten Freundschaften mit Neureichen nicht nötig. Ingmar würde alles wieder aufbauen für seine Familie. Die würden schön blöd gucken, wenn er aus eigener Kraft ein neues Haus in der Veilchengasse errichtete! Bis dahin war es allerdings noch ein weiter Weg.
Erschöpft von all den trüben Gedanken, setzte Lisa sich auf die abgewetzte Couch. Sie hätte gerne etwas getan, auch gearbeitet zum Beispiel, aber Ingmar wollte, dass sie zu Hause blieb. Insgeheim war sie froh darüber. Sie konnte doch überhaupt nichts, außer für ein schönes Heim und gepflegtes Äußeres zu sorgen.
„Hast du nichts zu tun?“, schnauzte Ingmar sie von hinten an. Sie hatte ihn gar nicht kommen hören. Mit zwei Schritten war man in dieser Bruchbude schon von der Wohnungstür bis zum Sofa angelangt.
„Doch, ich wollte nur mal gucken, was so in der Welt los ist. Ich mache gleich weiter. Hast du früher Schluss, mein Schatz?“
„Diese Arschlöcher! Ich hab denen gesagt, dass sie ihren Scheiß alleine machen können! Die denken wohl, ich bin so bescheuert wie die anderen Trottel mit ihren Headsets am Schädel! Ohne mich, Lisa, ohne mich! Ich hab gekündigt. Das haben wir nicht nötig, da geh ich lieber auf den Bau, als mich weiter kontrollieren und schikanieren zu lassen von diesen Lackaffen!“
„Oh, du Armer. Das musst du dir wirklich nicht gefallen lassen! Du findest bestimmt was Besseres bei deinen Fähigkeiten!“
Lisa ging den Blick gesenkt in die winzige Küche, um einen frischen Kaffee aufsetzen. Sie spürte Ingmars Atem in ihrem Nacken. Seit Monaten hatten sie nicht miteinander geschlafen; Lisa überlegte, ob sie ihren Mann verführen sollte, damit er auf andere Gedanken kam. Der Winter war noch immer nicht vorbei, obwohl sie bereits Ende Februar hatten. Es kam ihr so vor, als würde diese Jahreszeit niemals enden, genauso wie die Depression, in der die Familie sich befand. Doch die schwerste Last lag auf Ingmars Schultern. Er beobachtete sie bei ihren Handgriffen.
„Ich sag es dir nicht gerne, Lisa, aber du baust immer weiter ab. Sieh dich mal an, was ist nur aus meiner schönen Frau geworden? Ich hab’s dir ja schon vor dem Brand gesagt, dass du mich nicht mehr anmachst, aber da wusste ich ja nicht, dass es noch schlimmer wird. Zieh doch mal wieder was Geiles an und renn hier nicht rum wie eine fette Hausfrau!“
Das war zu viel für sie. Lisa weinte hemmungslos, stützte sich mit beiden Händen am fleckigen Spülbecken ab und wurde von einem Heulkrampf geschüttelt.
„Du bist so gemein, Ingmar, warum sagst du so etwas? Glaubst du nicht, dass das für mich nicht auch schlimm ist? Ich kann nicht mehr!“
„Hör auf zu heulen, das ist ja ekelhaft!“
Angewidert spuckte er aus. Lisa schaute irritiert auf den Boden – tatsächlich, ihr Mann hatte direkt neben ihre Füße gerotzt! Ihr schossen Bilder in den Kopf, Gesprächsfetzen, Ermahnungen ihrer Freundinnen. „Lass dir nicht alles gefallen, Lisa!“ Hanna und Elaine wären entsetzt, wenn sie das hier sehen würden! Mutig hob sie den Kopf und schaute Ingmar ins Gesicht. Feinselig blickten die beiden sich an. Das hatte Lisa noch nie gemacht, aber sie war so wütend!
„Ich habe vor einer Stunde gewischt.“
„Was willst du damit sagen?“
„Dass du das bitte selber wegwischt. Ich mache das nicht.“
Bei den letzten Worten schaute sie aus Angst zu Boden. Zu spät. Ingmar
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