Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
und schob die Tür ein kleines Stück weiter auf.
Der Typ aus dem Auto kam angelaufen. Er sah genauso fies aus, wie Kimmy ihn in Erinnerung hatte. Zusammen mit Nasen-Meyer könnte dieser Kerl einen Lange-Nasen-Wettbewerb durchführen. Er musterte die Mädchen von oben bis unten und sagte ohne zu lächeln:
„Geht grade durch, zieht eure Jacken und Schuhe aus und wartet auf mich. Bin gleich bei euch. Hast du abgenommen? Haare waschen wäre keine schlechte Idee gewesen – das gilt für euch beide. Du willst doch auch mitmachen, oder?“, richtete er das Wort an Lea.
Lea nickte. Auf einmal war von ihrer sonst so selbstbewussten Art nicht mehr viel zu spüren. Stumm gingen die beiden vorweg und schauten sich um. Wie in einem richtigen Fotostudio sah es hier nicht aus. Die Wände waren kahl und weiß. Außer eines ausgezogenen Sofas und einer großen Stehlampe gab es nur noch zwei Schränke und einen Stuhl. Vor den Fenstern hingen graue Satinvorhänge, so dass das Licht silbern in den Raum fiel. Das sah eigentlich ganz hübsch aus. Sich selbst und ihre Freundin aufmunternd flüsterte Kimberley:
„Wird schon nicht so schlimm werden. Sieht jedenfalls nicht aus wie in einem Puff, oder?“
„Glaub nicht“, murmelte Lea. Vielleicht war das alles ja doch in Ordnung. Sonst wären doch ganz andere Dinge hier. Zwar wussten beide Mädchen nicht, was für andere Dinge bei Sexaufnahmen rumstehen müssten, aber trotzdem fühlten sie sich ein wenig beruhigt. Sie legten ihre Jacken auf den Stuhl und stellten die Schuhe ordentlich darunter. Unsicher und mit überkreuzten Beinen warteten sie auf den Mann, von dem sie ein paar Wortfetzen aufschnappten. Er schien zu telefonieren. Endlich kam er zu ihnen. Das erste Mal überhaupt sah Kimberley ihn grinsen, sie atmete erleichtert auf.
„So, ihr zwei Hübschen. Wir machen jetzt ein paar Probeaufnahmen und dann sehen wir mal, wie wir euch einsetzen können. Vielleicht kann es heute auch schon direkt losgehen, das weiß ich noch nicht. Ein Mitarbeiter guckt gleich mal rein und schaut, ob er so fix was auf die Reihe kriegt. Wo ihr schon mal hier seid. Also, ihr könnt mich einfach Benny nennen, das machen alle so. Wenn Ihr Fragen habt, einfach fragen. Alles klar?“
Die Mädchen nickten aufgeregt.
„Gut, dann du als Erste, Julia. Stell dich einfach ganz natürlich vor die Wand und guck in die Kamera.“ Benny griff zu einer eher mickrigen Kamera, die so gar nicht an Topmodels erinnerte, aber Kimberley tat wie ihr befohlen.
Sie zog den Bauch ein und versuchte so hübsch wie möglich auszusehen. Soweit das überhaupt möglich war in den dreckigen Klamotten und in Socken. Benny schüttelte mit dem Kopf. Er wirkte wieder unfreundlicher, so wie neulich im Auto. Unfreundlich und genervt.
„So geht das nicht. In den unförmigen Klamotten kann ich nichts von deiner Figur erkennen. Zieh dich mal aus.“
Kimberleys Augen weiteten sich vor Schreck und sie suchte Leas Blick. Doch die schaute aus dem Fenster und zwirbelte mit dem Zeigefinger in ihren Haaren herum.
„Ähm, aber nicht alles, oder?“, fragte Kimberley.
„Herrgott, natürlich nicht, lass die Unterwäsche an. Mach mal schneller, ja, ich hab auch nicht ewig Zeit. Ihr könnt froh sein, dass ich euch gleich zwischen lasse.“
Ohne lang nachzudenken, zog sie sich aus. Sie schämte sich in ihrem kindischen Slip und dem langweiligen BH. Sexy sah sie ganz bestimmt nicht aus und schlank fühlte sie sich auch nicht mehr. Aber Benny meckerte nicht, sondern fotografiere sie von allen Seiten, sogar von unten. Er ging in die Knie und machte Bilder, die vielleicht gar nicht so schlecht aussehen würden. Kimberley schaute kess in die Kamera und entspannte sich ein wenig. So schlimm war es auch nicht und außerdem brächte es bestimmt gutes Geld. Hier konnte man warm und trocken jobben, anstatt draußen fremde Leute um Kohle anzubetteln. Nach rund zehn Minuten war sie fertig und Lea an der Reihe. Benny wollte, dass sie sich genauso wie Kimberley verhielt. Also musste er ja zufrieden gewesen sein. Kimberley zog sich leise an und wartete, bis ihre Freundin im Kasten war.
Es klingelte. Benny sagte zu Lea, dass sie sich wieder anziehen könne und ging zur Tür. Sofort fingen die Mädchen zu plappern an. Kimberley hatte nicht erwartet, dass ihr der Kram sogar etwas Spaß machen könnte. Tatsächlich waren nur die ersten Minuten unangenehm gewesen, aber dann hatte sie das Suhrhoff-Haus und die üblichen Ängste einfach über Bord werfen
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