Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
seine Behausung. Nicht, dass er noch bei seinen Eltern wohnte! Das wäre dann doch zu viel des Guten gewesen. Doch er hielt vor einem unspektakulären Mehrfamilienhaus in einem ruhigen Hamburger Vorort an. Schade. Auch die Autotür öffnete er ihr nicht. Aber sie waren ja auch nicht in einem Märchen. Leo wohnte alleine. Keine Mitbewohner, keine Mutter. Eine geräumige Vier-Zimmer-Wohnung mit teuren, geschmackvollen Möbeln und ohne Nacktbilder an der Wand. Das würde Elaine kein Mensch glauben. Sie glaubte es ja selbst kaum.
„Es ist schön mit dir, Elaine. Ich kann mit Frauen in meinem Alter nichts anfangen, glaube ich. Das wird mir heute bewusster denn je. Bleib bitte einfach so, wie du jetzt bist. Du brauchst dich wegen mir nicht jünger zu machen oder irgendwelchen Quatsch. Ich mag dich.“
Leo setzte sich während seiner ruhig vorgetragenen Worte auf einen Küchenstuhl und bot ihr mit der Hand an, gegenüber von sich Platz zu nehmen. Elaine tat wie gewünscht. Mit glühenden Wangen fixierte sie die Tischplatte und schluckte. Was sollte sie jetzt sagen? Ihr fiel nichts Kluges ein. Ob sie ihm überhaupt gewachsen war? Wollte er sie nur ins Bett bekommen? Sie wollte das unbedingt. Und noch viel mehr. Mein Gott, er war einfach großartig!
„Mir gefällt das auch alles sehr gut. Wenn du willst, bleibe ich doch bis morgen. Auf mich wartet zu Hause keiner.“
„Natürlich freu ich mich, wenn du bleibst – ich bin auch nur ein Mann. Aber was ist mit deiner Tochter? Du hast erst so wenig von ihr erzählt.“ Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und Elaine verschlug es fast den Atem. Sie war verrückt nach ihm.
„Chantalle lebt bei ihrem Vater. Sie ist ja kein kleines Kind mehr und hat sich das so gewünscht.“
„Wieso? Ist es nicht unüblich, dass Töchter von ihrer Mutter weg wollen?“
„Ach, sie ist ihrem Vater einfach näher als mir. Außerdem hat sie es von der Wohnung meines Ex dichter bis zur Arbeit.“
Elaine wollte nicht mehr erzählen. Was sollte Leo von ihr denken, wenn sie ihm erzählte, was Chantalle für ein Flittchen war? Nein, das behielt sie besser für sich.
„Gehen wir ins Bett, Elaine. Ich denke, so direkt kann ich sein, oder?“
„Ja“, sagte sie und lief knallrot an, „warum nicht? Wir sind ja auch keine kleinen Kinder mehr.“
„Eben. Ich geh schnell ins Bad. Fühl dich wie zu Hause.“
Mit Leo zu schlafen war genauso, wie mit ihm spazieren zu gehen oder zu reden: Ruhig, ohne Schnörkel und respektvoll. Zu Beginn versuchte Elaine, sich so biegsam und stöhnend zu geben, wie sie es erst kürzlich bei Laszlo getan hatte. Aber dann kam sie sich albern vor und genoss einfach den entspannenden Sex. Wellen der Lust wogten durch ihren Körper, von oben nach unten, von unten nach oben – am Schönsten aber war es, wenn sie sich in der Mitte trafen. Dann fühlte Elaine sich vollkommen losgelöst von der Welt und doch so geborgen wie in Abrahams Schoß.
Es schien nicht so, als müsse Leo am nächsten Morgen zur Arbeit aufbrechen. Er besorgte Croissants und kochte Kaffee, küsste Elaine liebevoll auf die Stirn und verhielt sich so, als seien die beiden bereits monatelang ein Paar.
„Sehen wir uns wieder, Leo?“, fragte sie ihn so lässig wie möglich, den Kaffeebecher fest umklammernd.
„Das hoffe ich doch schwer! Mir ist es sowieso egal, wo ich bin. Home is, where my heart is. Oder?“
Sie nickte stumm. Womit hatte sie nur solch ein Glück verdient? Endlich ging mal etwas gut in ihrem Leben. Irgendwie musste der Schlamassel mit dem Haus in Griff zu bekommen sein. Hoffentlich würde sie Leo nicht so schnell verlieren, wie sie ihn bekommen hatte! Wäre sie bloß nicht solch eine Schlampe gewesen – sofort wollte Elaine alles ändern.
„Hm“, machte sie.
„Weißt du was, ich bring dich nachher nach Hause. Dann kann ich mir gleich mal angucken, wie du wohnst. Ich bin nämlich neugierig. Und du musst nicht wieder mit der scheiß Bahn fahren. Natürlich nur, wenn du willst.“
„Lieb von dir, aber… Ich wohn nicht mehr lange dort. Also, ehrlich gesagt ziehe ich bald aus.“
„Echt? Wohin denn?“
„Weiß ich noch nicht. Ich muss mich endlich mal um eine Wohnung kümmern.“ Unruhig kaute Elaine auf ihren Lippen herum. Leo beobachtete sie genau und sagte dann im neutralen Tonfall:
„Wenn du mir noch irgendwas sagen möchtest, dann tu es, Elaine. Auf eine Dreierkiste hab ich keinen Bock. Bist du noch gar nicht getrennt?“
„Doch!“, rief sie aus und
Weitere Kostenlose Bücher