Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
kippte fast ihren Kaffee über den Tisch. „Es ist nur… das ist mir peinlich, Leo. Also, na ja, du kriegst es vermutlich eh raus. Ich kann das Haus nicht alleine halten.“
„Wie? Versteh ich nicht. Was meinst du denn?“
„Na, ich bin nicht so reich wie du! Ich bin pleite. Zwangsversteigerung, verstehst du es nun?“
Das war’s. Elaine stand auf und suchte ihre Sachen zusammen. Es waren wunderschöne Stunden, aber nun hatte das Glück ein Ende. Sie lief durch Leos Wohnung und wurde immer hektischer. Wo hatte sie nur ihre Handtasche hingestellt?
„Suchst du was?“
„Meine Handtasche.“
„Wieso, wollen wir jetzt schon los? Lass uns doch noch in Ruhe fertig frühstücken.“
Irritiert blieb sie stehen und schaute ihn mit ihren betörenden Katzenaugen an.
„Du willst mich immer noch?“
„Äh, hallo? Spinnst du? Mir ist es doch total schnuppe, ob du ein Haus hast oder nicht. Wenn du ein Problem mit meinem Geld hast, kann ich da nichts für. Ich brauch die Kohle nicht.“
„Das kann man auch nur behaupten, wenn man es hat, Leo“, entfuhr es Elaine. Mist, jetzt klang sie wie ihre eigene Mutter. Das hatte sie eigentlich vermeiden wollen. Ihn schien es nicht allerdings nicht zu stören – er blieb gelassen wie gehabt.
„Mach dir mal nicht so viele Sorgen, das findet sich alles schon. Und nun setz dich wieder hin, bitte. Alles ist gut.“
***
„Du heißt gar nicht Julia.“ Nasen-Meyer nahm einen großen Schluck aus der Sektflasche und reichte sie an Kimberley weiter. Zu dritt saßen die Kids in einem Park auf dem Rasen und teilten sich Sekt und eine Wassermelone. Alle drei – Kimberley, Nasen-Meyer und Lea – leckten sich ihre melonenverschmierten Münder und genossen die Sonne. Das Leben war herrlich ohne Schule und meckernde Eltern!
„Wie kommst du denn da drauf?“, fragte Kimberley ihren neuen Freund so cool wie möglich, dabei schlug ihr Herz bis zum Hals. Sie konnte die beiden noch nicht gut einschätzen. Nasen-Meyer, der eigentlich Charles hieß, hasste seinen richtigen Vornamen und ließ sich lieber auf seine lange Nase reduzieren als Charlie genannt zu werden. Lea redete nicht viel und war meistens noch besoffener als Nasen-Meyer. Beide waren fünfzehn, hatten sie Kimberley erzählt. Von ihren Familien kannten sie nur Schläge und Alkohol, abwesende Väter und überforderte Mütter. Ganz anders als Kimmy, die zuerst für sich behalten wollte, was für eine Barbie-Kindheit sie eigentlich hatte. Aber dann war sie gestern das erste Mal in ihrem Leben voll gewesen und es war alles aus ihr rausgeplatzt. Nur ihren falschen Namen, den konnte sie betrunken noch lallen. „Ich heiße Juliahaha“, sang sie und torkelte überdreht mit den neuen Freunden durch die U-Bahn-Schächte der Großstadt.
„Man sucht dich über Facebook. Kimberley ist abgehauen. Haben mir die anderen erzählt und ich hab mir das Foto angeguckt. Da warst du drauf, Julia-Kimberley.“
„Kimberley“, kicherte Lea. Sie sah echt fertig aus, total pickelig und aufgequollen. Kimmy sah Lea das erste Mal richtig lachen. So schlimm war ihr Name nun auch nicht.
„Ja, stimmt. Na gut, jetzt wisst ihr’s. Ich heiße Kimberley, aber sonst ist alles wahr. Julia ist eh ein Scheißname.“
„Kimberley auch“, sagte Nasen-Meyer und rülpste. „Ich geh schnorren. Kommt ihr mit?“
„Nee.“ Die Mädchen legten sich auf den Rücken und schauten den Wolken zu. Beide waren betrunken und Kimberley wusste überhaupt nicht, was alle Welt dagegen hatte. Es war doch prima, wenn man so glücklich sein konnte! Ihr altes Leben erschien ihr wie ein einziger langweiliger Murks. Sie vermisste bis auf ihr Bett und warme Mahlzeiten absolut gar nichts. Seitdem sie die beiden Freunde gefunden hatte, die ihr die geklauten Zigaretten gegen Pizza und Cola eintauschten, fühlte sie sich auch nicht mehr so allein. Einen Vorteil hatte das wenige Essen: Kimberley hatte bestimmt schon vier oder fünf Kilo abgenommen. Ihre Hose schlackerte und rutschte fast herunter, was sich großartig anfühlte. Zum ersten Mal in ihrem Leben mochte Kimberley ihr Spiegelbild leiden und genoss es, wenn ein Junge ihr bewundernde Blicke schenkte.
„Wir brauchen unbedingt ein bisschen Kohle, aber schnorren ist so ätzend“, sagte Lea in Richtung Himmel.
„Wir könnten modeln.“ Wow, das klang sehr cool. Kimberley wunderte sich selbst über ihre neue Art zu sprechen. Es ging kinderleicht.
„Wie, modeln? Spinnst du, oder was! Dafür muss man voll die gute Figur
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