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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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sagt dir das Gleiche. Der weiß am besten, wie es da drin zugeht. Daniel ist dort nach fünf Minuten erledigt. Die reißen ihn in Stücke, noch bevor sie rausgefunden haben, was er überhaupt getan hat.«
    Diesmal unterdrückte Stephanie ein Schluchzen.
    »Oje. Jetzt geht’s los.« Blake sah Leo an, als erwartete er, dass er gleich ebenfalls die Augen verdrehte. »Sich hinsetzen und flennen: Das hilft bestimmt. In Selbstmitleid versinken, während dein Sohn – dein Sohn, verdammt noch mal –, der gerade einen Mord gestanden hat und den Rest seines jämmerlichen Lebens wahrscheinlich in irgendeinem stinkenden, vollgepissten …«
    »Mr. Blake! Das reicht jetzt!«
    Als der Wachmann draußen vor der Tür Leos erhobene Stimme hörte, schaute er durch die Sicherheitsscheibe. Leo hob beschwichtigend die Hand, und der Wachmann runzelte die Stirn und zog sich zurück, wenn auch offenbar nur widerwillig. Blake nahm sich jetzt Leo vor. Er formte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und richtete sie auf ihn.
    »Hören Sie mir gut zu, Mr. Curtice«, blaffte er ihn an. »Das hier ist meine Familie und meine Sache. Sie sind bloß eine bezahlte Hilfe. Verstanden?«
    Blödmann. Widerlicher, giftiger, boshafter kleiner Blödmann.
    Aber: »Verstanden, Mr. Blake.« In Leos Ton lag etwas Herausforderndes, aber er ließ es wieder fallen. »Und verzeihen Sie, dass ich laut geworden bin. Ich führe diese Diskussion hier mit Ihnen, um Ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen. Das ist alles. Wir brauchen jetzt im Moment noch nichts zu entscheiden.«
    Leos Stiefvater tat durch ein Schnauben kund, was er von Leos Möglichkeiten hielt.
    »Und außerdem hatte ich gehofft, Ihnen klarzumachen, wie die Dinge liegen«, sagte Leo. »Aus verfahrenstechnischer Sicht, meine ich.« Er wandte sich Stephanie zu. »Es ist eine Menge passiert in den letzten Tagen, und ich dachte … Na ja, ich dachte, Sie haben vielleicht noch die eine oder andere Frage.«
    Nach einer kurzen Pause nickte Daniels Mutter. Aber sie sah nicht auf und sagte nichts.
    »Der Entscheid über die weitere Untersuchungshaft. Die Vorladung vor Gericht. Ist Ihnen klar, was es damit auf sich hat?«
    Stephanie sagte immer noch nichts.
    »Daniel? Hast du verstanden, was das bedeutet?«
    Auch Daniel mied Leos Blick.
    »Es bedeutet, dass er nicht rauskommt. Stimmt’s? Dass sie ihn weiter wegsperren wollen.« Es sah aus, als hätte Blake bei diesen Worten ein blödes Grinsen auf den Lippen.
    »Du wirst verlegt, Daniel«, sagte Leo. »In eine Einrichtung. So ungefähr wie die hier, nur näher an deinem Wohnort.« Leo sah die Mutter des Jungen an. »Sie können ihn dort besuchen.«
    Stephanie schluckte. Sie holte Luft, schien die Worte zu testen, die ihr auf der Zunge lagen. »Was ist …« Sie sah kurz zu ihrem Sohn, zu kurz, als dass er ihren Blick hätte erwidern können. »Was ist mit einer Kaution? Könnte man das nicht versuchen? Ich weiß, Sie haben uns davon abgeraten, aber … aber vielleicht später? Darf Daniel dann nach Hause?«
    Der Junge gab einen Laut von sich, irgendetwas zwischen einem Murren und einem Ächzen.
    Leo nickte, eher verständnisvoll als bejahend. »Ich glaube, das wäre nicht so klug. Daniels Wohl muss im Vordergrund stehen, und dort, wo er hingebracht wird, ist er ganz gewiss am sichersten. Und außerdem«, fügte er hinzu, »außerdem ist es in Anbetracht des Verbrechens, das ihm vorgeworfen wird, und des großen öffentlichen Interesses an dem Fall zweifelhaft, ob einem solchen Antrag stattgegeben würde, ganz gleich, ob jetzt oder später.« Mehr als zweifelhaft: Er würde mit Sicherheit abgelehnt werden, aber das behielt Leo lieber für sich.
    »Solche Gerichtstermine wird es demnächst wohl häufiger geben, fürchte ich«, sagte Leo und rutschte auf dem Stuhl herum, »zumindest in näherer Zukunft.«
    Stephanies Augen weiteten sich, und Leo hob eine Hand.
    »Es wird sich alles beruhigen. Es wird nicht jedes Mal so viel Aufruhr geben wie beim letzten Mal. Das ist reine Routine, das verspreche ich Ihnen. So ist das immer während des Untersuchungsverfahrens. Und bald wird Daniel ja auch an den Crown Court …«, weitergereicht, hätte er beinahe gesagt, »… überstellt. Dann wird die Anklage gegen ihn erhoben, offiziell, und je nachdem, worauf wir plädieren, wird der Richter einen Prozesstermin festsetzen. Frühestens gegen Ende des Sommers.«
    »So spät?«, fragte Stephanie, und ihre Miene verdüsterte sich erneut. »Warum denn erst

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