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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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hustete. Stephanie nahm die Zigarette auf die andere Seite. »Mich würde interessieren, was ihm in seinem bisherigen Leben womöglich schon widerfahren ist«, fuhr Karen fort. »Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Ich bin nicht hier, um über irgendjemanden zu urteilen. Aber, na ja …« Sie schluckte. »Gewalterfahrungen zum Beispiel. Körperliche Bedrohung. Vincent ist ja Ihr zweiter Mann, Stephanie. Darf ich fragen, warum Ihre erste Ehe geendet hat?«
    »Weil Frank sie hat sitzenlassen. Darum hat sie geendet. Steph würde diesem Loser doch immer noch nachlaufen, wenn er sie nicht abgeschüttelt hätte.«
    Karen wartete auf eine Antwort von Stephanie.
    »Er hat mich nicht geschlagen, falls Sie das meinen.« Stephanie blickte auf ihre Zigarette und tippte über dem behelfsmäßigen Aschenbecher immer wieder mit dem Zeigefinger darauf, obwohl die Asche bereits abgefallen war.
    »Und Daniel? Wie war sein Verhältnis zu Daniel?«
    Stephanie zuckte mit den Achseln. Ungeschickt drückte sie die Zigarette an der Becherinnenseite aus und griff sofort nach der nächsten. »Normal, würde ich sagen. Nicht so wie im Fernsehen, Fußballspielen im Park und so, aber normal für die Gegend, wo wir gewohnt haben.«
    »Hat er Daniel geschlagen? Oder …«
    »Nein. Also, nicht richtig. Ab und zu mal einen Klaps, aber den hatte er dann meist auch verdient. Er hat getrunken, deshalb fielen die Schläge manchmal härter aus als beabsichtigt, aber verletzt hat er ihn nie. Nicht richtig. Er war eigentlich immer recht sanft.«
    »Und jetzt sitzt er wegen Körperverletzung«, sagte Blake. »So viel zum Thema sanft.«
    Karen betrachtete die Narbe auf Blakes Gesicht; seine schiefe Boxernase.
    »Das ist ja was anderes.« Stephanie sah Karen an. »Oder nicht? Das war wegen einer geschäftlichen Sache. Das meint die Frau Doktor ja nicht.«
    Karen tat, als würde sie sich etwas notieren. Als sie hochsah, zündete sich Stephanie gerade die zweite Zigarette an, die Brauen in der Mitte zusammengezogen und den Blick, wie es aussah, auf die Nasenspitze gerichtet.
    »Ist es möglich, dass Frank Daniel unsittlich berührt hat? Sich vielleicht sogar an ihm vergangen hat?«
    Stephanie blies den Rauch aus. »Nein. Nie. Das hätte ich mitbekommen.«
    »Aber Sie haben doch gesagt, er hat getrunken. Hat er sich unter Alkoholeinfluss vielleicht anders verhalten?«
    »Warum sollte er? Und dann hätte ich es ja trotzdem mitbekommen. Außerdem fand er so was unmöglich. Es hat ihn wütend gemacht. Wirklich richtig wütend.«
    Diesmal machte sich Karen tatsächlich eine Notiz. »Was ist mit, keine Ahnung. Onkeln? Männlichen Freunden? Älteren Jungen? Irgendjemand anderem.« Ohne Blake direkt anzusehen, achtete sie genau auf seine Reaktion.
    Er bewegte sich nicht. Seine Frau schüttelte den Kopf.
    Karen tippte mit dem Stift gegen ihren Notizblock. »Wie alt war Daniel, als Frank die Familie verlassen hat? Acht?«
    Stephanie überlegte und nickte dann.
    »Wie hat er reagiert?«
    »Wer? Danny?« Stephanie tat, als müsste sie dazu tief in ihrer Erinnerung graben. »Er war ja damals eh nicht oft zu Hause – Frank, meine ich.« Sie zog an ihrer Zigarette, und die Furchen auf ihrer Stirn wurden tiefer. Sie behielt den Rauch so lange in den Lungen, dass sich Karen sicher war, er würde nie mehr herauskommen. »Klar, Danny war natürlich nicht gerade glücklich darüber. Aber ich würde auch nicht sagen, dass es ihm viel ausgemacht hat. Er war halt einfach … Keine Ahnung. Er war halt einfach weiter Daniel.«
    »Würden Sie sagen, dass Daniel so insgesamt glücklich war? Als Kind? Als er noch kleiner war?«
    »Genau das meine ich«, sagte Stephanie. »Er war eigentlich nie, also, ein Sonnenschein, sagt man nicht so?« Sie sah Karen an, und Karen nickte. »So einer ist Danny noch nie gewesen. So ist er einfach nicht.«
    »Fröhlich?«
    »Na ja … keine Ahnung. Dass er andauernd gestrahlt hätte oder so. Solche Sachen. Das sieht Daniel nicht ähnlich.«
    Stephanie drückte ihre zweite Zigarette aus. Sie setzte sich auf, nahm ihre Handtasche vom Schoß und stellte sie auf den Boden, und dabei rappelten Pillen in einer Dose. Oder Pfefferminzbonbons natürlich. Vitamine, Paracetamol – es konnte alles Mögliche sein.
    »Was ist mit Ihnen, Stephanie?«, fragte Karen. Blake hatte die ganze Zeit mit seiner Schachtel Rothmans herumgespielt.
    Plötzlich schloss er die Hand fest um die Schachtel und beendete ihren Tanz.
    »Wie haben Sie es verkraftet, dass Frank Sie

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