Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)
wieder irgendwas gewesen, es hatte länger gedauert als erwartet, und der Verkehr auf dem Rückweg …
Egal. Jedenfalls war Blake ihr von Anfang an feindlich gegenübergetreten, genau wie Leo es vorausgesagt hatte.
Karen entschuldigte sich. Blake schüttelte ihr die Hand, auch wenn sie sich für einen kurzen Moment sicher gewesen war, dass er ihre entgegengestreckte Rechte verweigern würde. Daniels Mutter stand zwar nicht auf, hob aber den Kopf und lächelte Karen an. Sie wirkte ruhig. Mit Medikamenten ruhiggestellt, tippte Karen. Sie kannte diesen glasigen Blick, den sie manchmal selbst verordnete.
Blake war alles andere als ruhig. Als Karen im Raum war, tat er zwar so, als hätte er sich vollkommen unter Kontrolle, aber unter der Haut brodelte es in ihm weiter.
»Sie sind also die Psychotante«, gab er Karens Vorstellung in seinen eigenen Worten wieder.
» Eine Psychotante«, sagte Karen und verstärkte ihr Lächeln. »Leo. Leonard. Mr. Curtice« – ihr fiel in dem Moment auf, dass sie gar nicht genau wusste, als was sie ihn kannten – »hat mich gebeten, ihm zu helfen. Mit Daniel. Mit diesem Fall.«
»Als ob Sie nicht dafür bezahlt würden«, entgegnete Blake. »Als würde ›helfen‹ nicht nach Stunden abgerechnet.«
Karen lächelte noch immer. »Möchten Sie Kaffee? Tee? Wasser oder irgendetwas anderes?«
»Bringen wir’s einfach hinter uns, okay?«, sagte Blake und setzte sich breitbeinig auf den Spalt zwischen den Sofapolstern.
Karen wartete auf eine Antwort von Blakes Frau, und als Stephanie ebenfalls ablehnte, setzte sie sich neben sie auf einen Sessel.
»Ich hatte gehofft, ein wenig über den Hintergrund zu erfahren«, begann Karen und sah erst dem einen und dann dem anderen in die Augen. »Ich habe Sie zu diesem Gespräch eingeladen, weil ich dachte, dadurch etwas mehr Einblick …«
Aber sie hätte sich die Mühe einer solchen Einleitung schenken können.
»Ich muss Geld verdienen«, fiel ihr Blake ins Wort. »Und Steph verpasst ihre Serien. Nun spucken Sie schon aus, was Sie uns sagen wollen.«
»Na ja, das weiß ich noch nicht so genau«, erwiderte Karen. »Deshalb hielt ich es ja für so wichtig, dass wir einmal miteinander reden. Wir drei.« Mit einem Blick versuchte sie, Stephanie mit einzubeziehen.
»Reden, reden, immer dieses Scheißgerede. Mehr können Sie und Ihresgleichen ja anscheinend nicht.«
»Meinesgleichen, Mr. Blake? Was meinen Sie damit genau?«
Blake machte eine wegwerfende Handbewegung. »Curtice. Die ganzen Sozialdienste. Die Gutmenschen von der Wohlfahrt, die jetzt dauernd bei uns auf der Matte stehen und sich benehmen, als wären wir hier die Opfer. Und die Ärzte. Hören Sie mir bloß mit denen auf. Wir haben ja nun in den letzten Jahren weiß Gott genug davon kennengelernt. Alles nur Labersäcke.«
Karen sagte nichts. Sie beobachtete die beiden.
»Es ist nicht leicht, wissen Sie.« Blakes Ton war eine Herausforderung. »Diese Warterei. Hierhin ziehen, dorthin ziehen. Die sogenannten Schutzmaßnahmen, ein Scheißdreck ist das. Und Steph, die ist total fertig mit den Nerven wegen Daniel.«
Blake sah seine Frau nicht an, aber Karen.
»Ich mache mir Sorgen«, sagte Stephanie. »Das wollte Vince bloß damit sagen. Natürlich wegen Daniel, klar, aber auch wegen anderen Sachen.«
»Wegen ihren Freundinnen, meint sie. Oder besser ehemaligen Freundinnen. Dass die nicht mehr anrufen oder nicht rangehen, wenn sie anruft.«
»Und Sie, Mr. Blake? Sind Sie auch besorgt?«
»Klar. Aber er ist ja nicht mein Sohn, das ist schon was anderes. Ich schleppe nicht die ganze Zeit solche Schuldgefühle mit mir rum. Das ist ja gerade Stephs Problem. Sie benimmt sich, als hätte sie diese Kleine da umgebracht, als wäre sie daran schuld, dass Daniel …«
»Vince, hör auf.«
Blake sah Karen an: Sehen Sie, was ich meine? Er klopfte seine Taschen ab und zog aus einer schließlich seine Zigarettenschachtel heraus.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern über Daniels Alltag zu Hause sprechen«, begann Karen nach einer Pause. »Seine Kindheit. Ich würde mir gern einen kleinen Einblick in seinen Hintergrund verschaffen. Erzählen Sie mir von seiner Vergangenheit.«
»Was soll das bringen?«, fragte Blake. »Der Junge ist weder krank im Kopf noch geistig zurückgeblieben – das haben Sie doch zu Curtice gesagt. Er hat einfach nur Scheiße gebaut. Stimmt’s? Deshalb sagt er, er ist schuldig. Was bleibt ihm denn anderes übrig? Was ändert irgendwelches Gerede
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