Das Kind der Priesterin
blindmachenden orangefarbenen Druckanzug ergriff mich bei den Händen und versuchte, mich von der Bank hochzuziehen. Ich schüttelte unglücklich den Kopf; sie zuckte mit den Schultern und tanzte davon. Der Regen schien wieder nachzulassen, doch das Fest machte nicht den Eindruck, als würde es abebben. Mir versetzte es einen winzigen Stich von Anomie.
„Ist euch aufgefallen“, flüsterte Kraus auf einmal wie ein schlechter Schauspieler, „daß wir beobachtet werden?“
„Von wem?“ Hana beugte sich vor und bemühte sich, in der Menschenmenge den auszumachen, den Kraus meinte.
„Nicht hingucken! Es ist Salad.“ Kraus zog verstohlen die Schultern hoch und bot aller Welt den Anblick eines Charakters aus einem Detektivroman des 20. Jahrhunderts.
„Salad?“ Ich versuchte, seinem unverhohlenen Blick zu folgen, und sah einen Glatzkopf, der in dem Helm einem unheimlichen Wesen in einem Aquarium ähnelte. Ich bin etwas kurzsichtig; da ich meine Kontaktlinsen oben gelassen hatte, um meinen blutunterlaufenen Augen eine Erholung zu gönnen, konnte ich das Gesicht nicht erkennen.
„Der Manager des Kasinos.“ Hana runzelte die Stirn. „Ein hochrangiger Kandidat fürs Heim der Unerfreulichen, allen Berichten zufolge.“
„Eine überfüllte Institution.“ Ich warf rasch einen Blick auf ihn. „Er sieht nach nichts aus.“
„Er setzt sich hin“, murmelte Kraus.
Salad stand von der Bank auf, sah sehr beiläufig durch uns hindurch und schlenderte in Richtung Luftschleuse davon. „Ich verstehe, was Sie meinen …“ Ich wandte mich Kraus zu, bemerkte den eigenartigen und stählernen Schimmer in seinen leeren Augen und begriff endlich, was er hier tat: Dieser Mann will ein Abenteurer sein …?
„Vielleicht wollte er sich nur mal den Mann ansehen, der ihn fünfzigtausend Seeyas gekostet hat.“ Hana klang nicht überzeugt, doch ihr Lächeln war warm und ermutigend.
„Das beantwortet mir eine Frage …“ Ihr Lächeln wurde spöttisch. Ich sagte: „Also, wenn ich in das System hier überhaupt hineinkommen will, brauche ich irgendeine offizielle Identifizierungsnummer, und vielleicht kann ich etwas aufschnappen, wenn ich meine Chips einwechsle.“ Wahrscheinlich hätte ich das anders ausdrücken sollen.
Kurze Zeit später trat ich auf der untersten der drei Kasinoetagen, in der Tiefe der Eishöhlen, aus der Fahrstuhlblase. Rings um die geschützte Plattform schäumte und stob das Goldwasser und sprang fruchtlos an den Mauern empor, ehe es durch die extravagante Unterwelt davongeschwemmt wurde. Ich überquerte seinen funkelnden Lauf auf einer kleinen Brücke und kam mir mit der Einkaufstaschen voll Chips ein wenig verdächtig vor. Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen: Die Gäste des Xanadu wußten jetzt, nachdem der Regen aufgehört hatte, nichts mehr mit sich anzufangen, und die meisten von ihnen interessierten sich viel zu sehr für die grün beschienenen Spieltische, als daß sie sich um mein Vorhaben gekümmert hätten.
Ich schlug einen vorbelasteten Pfad zwischen den Tischen, Sehenswürdigkeiten und Geräuschen dieses Spielerparadieses ein, und langsam stiegen bruchstückhafte Erinnerungen an letzte Nacht in mir hoch: Die Musik, die einem wie Wasser über die Sinne floß … die unheimlich aussehenden abstrakten Skulpturen aus Eis, Licht oder Leben ausstrahlend, glitzernd von Schweißperlen aus kühlem Wasser … das plötzliche Fluoreszieren von Halsbändern, Krawatten, einzelnen Kleidungsstücken, das die Gäste in eigenartige, in den blaulichtigen Tiefen einer exotischen See herumschwimmende Wesen verwandelte. „Exklusive“ Geschäfte am Fuße des Berges hatten sich auf Kleidung spezialisiert, die besonders für das Blaulicht geeignet war, auf großartige Hologramme vom Mariner-Tal und auf grelle Kuriositäten von nackten „Marsbewohnern“.
Am anderen Ende des Raumes machte ich die Kassenbox aus; ich drängte mich an einer Skulptur vorbei zu ihr durch, deren schimmernde Formen mich auf einmal überfallartig an Hana denken ließen. Hana letzte Nacht hier im Kasino; Hana heute nachmittag oben in meinem Zimmer, wo sie mit zwei Beschützern auf meine Rückkehr wartete. Ich hatte einen peinlichen Wachtraum von der Szene, wie Hana mir für meine unschätzbaren Dienste dankte … bis ich mich ganz unsentimental daran erinnerte, daß meine Sorgenvolle wegen des Ergebnisses dieser Nachforschungen nicht halb so besorgt war wie ich.
Die paillettenbesetzte, sentimentale Musik, die eben
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